Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

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Die sonst von MARTENS zum Beweise seiner These an- 
geführten Gründe sprechen, mit dem Massstabe seines Völker- 
rechtsbegriffes gemessen, nicht gegen die Existenz eines inter- 
nationalen Rechts im Altertum, sondern gegen seine Vollkommen- 
heit. So seine Ausführung, dass die Griechen trotz günstiger 
Vorbedingungen keine internationale Ordnung erschaffen haben, 
„welche die Interessen eines jeden griechischen Partikularstaates 
garantierte“ (I 39). Gibt es denn eine solche Ordnung heute? 
Keineswegs! da noch manches Interesse moderner Staaten der 
völkerrechtlichen Garantie entbehrt. Gegenüber der weiteren 
Behauptung des Autors, dass im Altertum der Fremdling ge- 
wöhnlich als Feind betrachtet wurde (I 40), ist zu betonen, dass 
schon früh völkerrechtliche Normen über Fremdenschutz gesetzt 
wurden, die zur höchsten Entwicklung im Isopolitievertrag ge- 
langten, „der spätesten, reifsten und herrlichsten Frucht am 
Baume des griechischen Völkerrechts“ (Ant. V. R, 67). 
Bisher habe ich nur von der einen Quelle des Völkerrechts, 
dem Vertrage, gesprochen. Deshalb sei gesagt, dass auch an- 
tikes Völkergewohnheitsrecht nachweisbar ist, insbesondere auf 
dem Gebiete des sogenannten objektiven Vertragsrechts, wie man 
in meinem Buche nachlesen kann. Allerdings war der Komplex 
dieser Bestimmungen nicht gross, doch das ist gleichgültig, da 
die Existenz einer Rechtsart nicht von einem 
bestimmten Quantum von Rechtsnormen ab- 
hängt. Misst man zudem das moderne Gewohnheitsrecht streng 
mit dem Masse der herrschenden Auffassung, welche als Fun- 
dament des internationalen Rechts die „Anerkennung“ oder 
als ein Mittel des Umganges mit anderen Nationen und des friedlichen Er- 
werbes, sondern auch als eine Manier, den Schwächeren zu berauben, be- 
nützen, darin man gar nichts moralisch oder rechtlich Verwerfliches fand.“ 
Abgesehen davon, dass dieser Ausspruch in seiner Allgemeinheit unhaltbar 
ist, ergibt er, dass die Macht im Handelsverkehr nicht das herrschende 
Prinzip war, sondern die Herrschaft mit dem Prinzip des Umganges und 
friedlichen Erwerbes teilte.
	        
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