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und ihre Beziehungen gemeinsamer rechtlicher Ordnung zu
unterstellen (1 5 f.).. Als Quellen des Völkerrechts erkennt er
Vertrag und Gewohnheit an (vgl. I 82 fi... Da die eben auf-
geführten Begriffsmerkmale auf das „alte“ Völkerrecht passen,
so hätte es HOLTZENDORFF ebensowohl als wahres erachten
müssen, wie das „neue“.
Der herrschende Begriff des internationalen Rechts führt
mithin zu der Auffassung, dass das Altertum ein Völkerrecht
besass!®. Das ius inter gentes hat gleich den anderen Rechtsarten,
gleich dem Zivil-, Straf-, Prozess-, Staatsrecht, eine lange Ge-
schichte und ist nicht fertig aus dem Schosse des Westfälischen
Friedenskongresses gesprungen, wie einst der Sage nach Pallas
Athene aus dem Haupte des Zeus. Aus unscheinbaren An-
fängen werdend und wachsend, trägt es wie die andern Rechts-
arten auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung ein
verschiedenes Gepräge, lernt im Laufe der Jahr-
tausende Fülle und Mangel, Blüte und Niedergang kennen, be-
wahrt aber immer im Wandel der Zeiten und Geschlechter un-
wandelbar den Charakter als internationales
Recht, das von unabhängigen Staaten geschaffen, ihren gegen-
seitigen Verkehr zu normieren bestimmt ist. Die Entwicklung
kann fortdauernd genannt werden, da die Tatsachen und Rechts-
sätze des alten Völkerlebens in nicht geringem Masse der Folge-
16 Dies betont C. GAREIS, Institutionen des Völkerrechts, 2. Aufl., 1901
S. 7, wo esheisst: „Es wäre unrichtig, wollte man die Geschichte des Völker-
rechts als eines objektiv bestehenden Rechts mit einem späteren Zeitpunkte
beginnen lassen, als die Geschichte der Menschheit selbst. Soweit nämlich
das Auge des historischen Forschers reicht, gewahrt es Staaten und Rechts-
normen, welche von diesen selbst im Verkehr unter einander beobachtet
und heilig gehalten werden.“ Ich stimme dem bei, kann aber gegenüber
den Ergebnissen der neueren Geschichtsforschung nicht behaupten, dass
der Anfang der Völkerrechtsgeschichte gerade mit dem Anfang der Mensch-
heitsgeschichte zusammenfällt. Richtig ist das Wort: ubi societas, ibi ius,
nur kann die Kunde vom ius fehlen und von der societas (der Staaten)
dasein.