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plexes, vermittelt durch die Person des Herrschers als Patrimonialherrn der
österreichischen Länder, als ganz glücklich geführt bezeichnet werden.
Weniger überzeugend ist.der Nachweis bezüglich der Ausgleichsgesetze vom
Jahre 1867, in welchen der allerdings vorhanden gewesene Vertragswille
nur unvollkommen und widerspruchsvoll zum Ausdrucke gelangt ist. Hier
muss denn auch die Beweisführung TEZnerRs auf die Freiheit und Form-
losigkeit völkerrechtlicher Verträge und die bona fides der Vertragsparteien
zurückgreifen, wobei wohl die durch den Mangel an besonderen Organen
für die äussere Vertretung jedes der beiden Staaten und die Gemeinsamkeit
des Monarchen bedingte Eigentümlichkeit der Vereinbarungsform einer
grösseren Hervorhebung bedurft hätte. Mag aber auch TEZNER gegenüber
der wohl zu formalistischen Beurteilung der Ausgleichsgesetze durch manche
Publizisten darin zugestimmt werden, dass die Ausgleichsgesetze nicht als
eine isoliert für sich dastehende Regelung des Verhältnisses der beiden
Reichshälften zu einander betrachtet, sondern nurim Zusammenhange
einer jahrhundertelangen Entwicklung Lrichtig gewürdigt werden kön-
nen, so schliesst dennoch die überaus heftige Polemik des Verfassers gegen
HAUKE (Grundriss des Verfassungsrechts) und BERNATZIK (Studienausgabe
der österreichischen Verfassungsgesetze) wohl über das Ziel. Denn gerade
ein für den Studierenden bestimmter Lehrbehelf darf, namentlich in der
Zeit der „freien Rechtswissenschaft“, über die formalen Mängel eines Ge-
setzgebungswerkes, wie solche die Ausgleichsgesetze des Jahres 1867 un-
zweifelhaft aufweisen, nicht ohne weiteres hinweggehen.
Wien. Dr. von Herrnritt.
Dr. Max Kulisch, Die rechtliche Stellung der beiden Häuser
des Reichsrates zur Geschäftsordnung. Tülingen 1908.
Unter den als Festgabe zum fünfzigsten Jahrestage der Doktor-Promo-
tion PAUL LABANDs veröffentlichten Abhandlungen hat die obige Abhand-
lung des Innsbrucker Professors KULISCH eine der wenigstens für Oester-
reich aktuellsten Fragen zum Gegenstande. Seit geraumer Zeit ist man
bei uns bemüht, die gegenwärtig geltende, mehr als 30 Jahre alte Ge-
schäftsordnung des Reichsrates, deren Entwicklung mit den grund-
stürzenden Aenderungen unserer parlamentarischen Organisation nicht
Schritt gehalten hat, den gegenwärtigen Verhältnissen anzupassen. Die
Geschäftsordnungsbestimmungen sind bei uns in verschiedenen Normen
zerstreut. Neben einigen Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes über die
Reichsvertretung vom J. 1867 gehören hierher das Geschäftsordnungsgesetz
vom J. 1873 und die von jedem der beiden Häuser des Reichsrates im
Rahmen dieses Gesetzes beschlossenen Geschäftsordnungen aus dem J. 1875.
Die seither eingetretenen Aenderungen des Staatsgrundgesetzes, insbesondere
die Neuorganisierung des Reichsrates im J. 1907, haben in Gewärtigung
Archiv für öffentliches Recht. XXIII. 4. 39