Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 23 (23)

— 613 — 
wird die Zitierung von Cearus und Farinacius von Seiten Haelschners als 
„ein Sonnenblick in der wahrhaft düstern Zeit“ (Mitte des 19. Jahrhunderts!) 
angesehen; und auf S. 90 heisst es: 
„Die Signatur der Neuzeit besteht, soweit es sich um die Doktrin des 
internationalen Strafrechts handelt, in der Aufstellung von Prinzipien. An- 
statt zu Bartolus zurückzukehren, anstatt den historischen Faden aufzu- 
suchen und sich von der Behandlung der Fragen, wie sie durch die mittel- 
alterlich-italienischen Juristen erfolgte, inspirieren zu lassen, trat das Be- 
streben auf, mit heissem Bemühen allgemeine Axiomata zu formulieren.... 
Immerhin wurden auch noch einzelne weitere Fragen wissenschaftlich“ — 
was kann damit in diesem Zusammenhang anders gemeint sein, als: hi- 
storisch? — „untersucht“. Gegen solche Ueberschätzung des Historismus 
muss immer wieder Protest erhoben werden. (Gewiss ist einem so kompli- 
zierten Problem gegenüber mit a priori gewonnenen Axiomen nicht aus- 
zukommen; das beweist zur Genüge unser Strafgesetzbuch, welches das zu- 
grunde gelegte Prinzip der Territorialität nach Massgabe verschiedenar- 
tigster Rücksichten teils eingeschränkt, teils erweitert hat. Aber die Rechts- 
geschichte erteilt uns auf die Frage, wie wir im kommenden Strafgesetz- 
buch uns zu verhalten haben, eine unmittelbare Antwort ebensowenig. 
Mögen wir immerhin von Bartolus manches beachtliche lernen können ; 
aber doch nur so, dass wir seine Lehre an einem von uns herangetragenen 
kritischen Massstab bemessen, welch’ letzterer sich aus der Berücksichti- 
gung der mannigfachen Pflichten des modernen Staates ergibt, als da sind: 
Schutz der Untertanen, Gerechtigkeit gegenüber dem Delinquenten, Ach- 
tung der Souveränität fremder zivilisierter Staaten, u. a. m. Diesen Mass- 
stab zu finden, kann uns die Kenntnis älterer Auffassungen sehr wohl be- 
hilflich sein, indem sie uns eine Uebersicht über die möglichen Lösungen 
vermittelt, von denen sich vielleicht diese oder jene als die richtige er- 
weist; liefern aber kann uns die Geschichte diesen Massstab niemals. Das 
erkennt auch der Verf. mittelbar an, wenn er am Schlusse daran erinnert, 
„dass das internationale Strafrecht den Zweck scharf im Auge behalten 
muss, die Kollisionen in der Unterstellung deliktischer Handlungen unter 
das Strafrecht und in der Geltendmachung der Gerichtsbarkeit zu verhüten“. 
Das ist eine durchaus rationelle und durchaus nicht historische Erkennt- 
nis. Erreichbar ist dieser Zweck in der Tat nur auf dem Wege der vom 
Verf. in eindringlicher Weise empfohlenen internationalen Konferenzen. 
Je mehr dieses technische Hilfsmittel zur Verwendung gelangen wird, 
um so mehr werden auch die künftig geltenden Gesetzesbestimmungen den 
Namen des internationalen Strafrechts verdienen. 
Professor Graf zu Dohna.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.