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sächliche Gegenteil der Einseitigkeit. Wenn das deutsche
bürgerliche Recht zu den gegenseitigen Verträgen einen Kauf-
vertrag rechnet, durch welchen der eine Teil zur Hergabe einer
Ware, der andere zur Bezahlung des Preises verpflichtet wird,
so zeigt das, wie. die Gegenseitigkeit des Vertrages hier nur
voraussetzt, dass korrespondierende Verpflichtungen begründet
werden, nicht aber, dass die Verpflichtungen selbst gleichartig
oder gleichwertig sind. Mit anderen Worten: Es wird Zwei-
seitigkeit verlangt und damit Einseitigkeit ausgeschlossen. Wie
aber die Zweiseitigkeit selbst beschaffen ist, bleibt für den Be-
griff belanglos. Dagegen bedeutet die Zweiseitigkeit oder Mehr-
seitigkeit, allgemein gesagt: die Gegenseitigkeit, für das inter-
nationale Recht einen Rechtsbegriff. Hier steht die Gegen-
seitigkeit der Einseitigkeit nicht mehr, wie im nationalen Recht,
als ein Gegensatz gegenüber, der. eine Fülle von Spielarten in
sich zulässt, sondern, der Idee nach, als kontradiktorischer, der
nur einen scharf umrissenen Inhalt haben kann. Während im
nationalen Recht sämtliche Negierungen der Einseitigkeit, mögen
sie an sich beschaffen sein, wie sie wollen, den Voraussetzungen
ihres Widerparts, der Gegenseitigkeit, genügen, muss im inter-
nationalen Recht die Reziprozität ideellerweise wie aus einer
mathematischen Gleichung als eine Grösse von genau bestimm-
tem Wert ermittelt werden können. Es gibt hier nur eins,
das dem anderen reziprok ist, nicht mehreres.. Damit ist zu-
gleich gegeben, dass das Reziproke nicht in allen Fällen den-
selben Inhalt haben kann, da mit dem Gegenstand der Gewäh-
rung auch das, was ihm reziprok ist, wechseln muss. Einheitlich
und, wiederum im Gegensatz zum nationalen Recht, positiv fest-
stellbar muss aber der Idee nach das Prinzip selbst sein,
das man als Reziprozität bezeichnet. Wenn nach dem Beschluss
des deutschen Bundesrats vom 25. Mai 1905 den Gesandten und
dem Gesandtschaftspersonal fremder Staaten unter der Voraus-
setzung der „Gegenseitigkeit“ Zollfreiheit zugesichert
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