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eine Rechtfertigung desselben durch das Februarpatent, d. h. dar-
auf verzichtet, zwischen dem Grundgesetz von 1867 und dem Fe-
bruarpatent eine juristische Kontinuität herzustellen. Denn die
vom 1867er Grundgesetz vorgenommene Neuregelung der Kompe-
tenzgrenze zwischen Reich und Land war nach dem Februarpatent
durch bloßes Reichsgesetz einseitig gar nicht möglich. Das 1867er
Grundgesetz, das dem Reich eine Kompetenzhoheit über die Län-
der arrogiert, kann überhaupt nur originär als gültig
angesehen werden. Wenn man aber dieses Verfassungsgesetz
als gültig ansieht — und dafür gibt es ebenso wenig eine juri-
stische Rechtfertigung wie dafür, daß man das Februarpatent als
gültig ansieht — dann muß man die Kompetenzhoheit dem Reiche
zusprechen. den Ländern aber absprechen, denn dieses Ver-
fassungsgesetz, in welchem der Reichsgesetzgeber für sich allein
die Kompetenz des Landesgesetzgebers absteckt, kann überhaupt
nur unter der Voraussetzung gültig sein, daß man aus irgend-
einem Grunde aufgehört hat, dem Landesgesetzgeber die Fähigkeit
zuzuerkennen, seine Kompetenz selbst, d. h. nur durch Landes-
gesetz zu bestimmen. „Aus irgendeinem Grunde“. d. h. natürlich:
nicht aus einem juristischen Grunde. Denn einen juristischen
Grund dafür gibt es ebenso wenig, wie für die Annahme, daß dem
Gesetzgeber in der absoluten Monarchie die Kompetenzhoheit zu-
stehe. Es handelt sich eben um eine vom juristischen Stand-
punkte willkürliehe, durch politische oder sonstige Motive bedingte
Annahme. Wenn man das Grundgesetz über die Reichsvertretung
von 1867 als gültig annimmt, dann muß man damit implicite
den Grundsatz als gültig annehmen: Reichsrecht bricht
Landrecht, muß annehmen, daß der $ 38 der Landes-
ordnungen, durch welchen dem Landesgesetzgeber Kompetenz-
hoheit vorbehalten wird, faktisch ungültig geworden ist. Wenn
man aber dem Landesgesetzgeber die Kompetenzhoheit absprechen
muß, um von der Gültigkeit des 67er Grundgesetzes über die
Reichsvertretung ausgehen zu können, dann ist es schlechterdings