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konstitutionellem Prinzip. Setzt man das Grundgesetz über die
Reichsvertretung vom Jalıre 1867 als gültig voraus, dann darf
man nicht, so wie es die herrschende Lehre tut, zwar die aus-
schließliche Kompetenzhoheit des Reiches behaupten, dennoch aber
die gegenseitige Derogierbarkeit von Reichs- und Landesgesetz
annehmen. Das ist logisch unmöglich. Nur wenn man das Da-
tum der österreichischen Verfassung mit dem 21. Dezember 1867
annimmt, und alle früheren Normen faktisch vernachlässigt,
wenn man sich aus politischen Erwägungen heraus entschließt,
sich ausschließlich auf den Standpunkt dieser im Dezember 1867
geschaffenen Reichsverfassung zu stellen, kann man zu dem rechts-
logisch befriedigenden Resultate gelangen, daß in Reich und Land
ein und dieselbe normsetzende Autorität in Geltung stehe, daß
die Landesverfassung nur einen Bestandteil der Reichsverfassung
pilde. Die herrschende Lehre hat zwar den Wunsch, zu solcher
Konsequenz zu gelangen, nicht aber den Mut oder die juristische
Einsicht, sich auf jene Voraussetzungen zu beschränken, die allein
zu den erwünschten Konsequenzen führen. Sie sieht nicht ein,
daß es rechtslogisch unmöglich ist, sich auf den Standpunkt des
Februarpatentes und seiner Beilagen, insbesondere der Landesord-
nungen zu stellen und zugleich das (rundgesetz über die Reichs-
vertretung von 1867 als Basis der heute geltenden Verfassung
anzusehen.
11.
Das fehlerhafte Reichs- und Landesgesetz.
8 10. Das richterliche Prüfungsrecht und das
Verhältnis zwischen Reichs- und Landesgesetz.
Die bisherigen Ausführungen sind unter der Voraussetzung
entwickelt worden, daß nach der geltenden Rechtsordnung ein
verfassungswidriges Gesetz als ungültig anzusehen