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mit aber entfällt auch ein entsprechendes Recht auf der Seite der
übrigen Staaten.
Nimmt man jedoch wirklich an, es wäre gelungen, einen
solchen Staatenbund ins Leben zu rufen, so würde damit noch
wenig gewonnen sein, denn es kann nicht zugegeben werden, daß
es möglich sein würde, den erforderlichen Zwang zur Befolgung
der ergangenen Entscheidungen in anderer Weise, als mittels eines
Krieges durchzuführen. Gegenüber kleineren Staaten wäre das
denkbar, aber das geschieht schon heute und würde deshalb keinen
Fortschritt bedeuten. Den Balkanstaaten wurde es nicht freige-
stellt, ihre Meinungsverschiedenheiten durch einen Krieg zum Aus-
trage zu bringen, sondern sie wurden von den auf der Londoner
Konferenz vereinigten Großmächten gezwungen, sich deren An-
ordnungen zu fügen. Mehr würde auch künftig nicht zu er-
reichen sein.
Aber selbst das Mittel eines Krieges zur zwangsweisen
Durchführung der Schiedssprüche würde oft versagen. Entstehen
Streitigkeiten unter Großmächten, so ist es sehr häufig, daß nicht
zwei, sondern mehrere von ihnen beteiligt sind. Auch in Zukunft
würde sich die Bildung von Mächtegruppen nicht vermeiden lassen.
Käme innerhalb des Staatenbundes ein Streit zum Austrage, so
würden deshalb nicht selten derartige Gruppen sich gegenüber
stehen. Aber auch unter den formell nicht beteiligten Staaten
würde es solche geben, die auf der Seite einer dieser Gruppen
ständen. Es würde deshalb ein einstimmiges Urteil nicht zustande
kommen, sondern nur eine Mehrheitsentscheidung. Dann aber wür-
den die überstimmten Staaten wahrscheinlich gar nieht daran den-
ken, gegen diejenige Macht oder Mächtegruppe, deren Standpunkt
sie teilen, die Waffen zu ergreifen.
Das liegt am klarsten auf der Hand bei Streitigkeiten, die
auf der Verschiedenheit der Interessen beruhen, oder die gar
in den oben erwähnten weltgeschichtlichen Gegensätzen
ihren Grund haben. Aber selbst bei Entscheidungen recht-
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