Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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lichen Bestellung, herbeizuführen. Das setzt voraus, daß man das 
Vormundschaftsgericht als eine Verwaltungsbehörde im Sinne des 
813 GVG. erachtet, ein Standpunkt, den u. a. auch das Reichsge- 
richt vertritt1!%,. Freilich scheint es mir — darin ist JOSEF, der 
die gegenteilige Ansicht vertritt!", ganz recht zu geben — seine 
Meinung wenig stichhaltig begründet zu haben, wenn es sich da- 
für auf $ 4 EG. GVG. berufen hat. Denn $ 4 sagt zwar, daß neben der 
streitigen den Gerichten auch jede andere Art der Gerichtsbarkeit 
und Geschäfte der Justizverwaltung übertragen werden können, 
aber nicht, daß zu diesen letzteren auch die Vormundschaftssachen 
gerechnet werden sollen!®. Wie dem auch sei, der Standpunkt 
des Reichsgerichts ist heute veraltet; denn inzwischen hat das 
Reichsrecht die Vormundschaftssachen der freiwilligen Gerichts- 
barkeit zugewiesen. Dadurch ist der Streit aber nicht entschie- 
den, sondern erst recht angefacht worden: denn das Vormund- 
schaftsgerieht hat teils Streit schlichtende, überwiegend aber ver- 
waltende Funktionen. Dort wird es nur im privaten Inter- 
esse tätig, hier aber nimmt es zugleich staatliche Inter- 
essen wahr. So ist z. B. die Tätigkeit, die die Vormundschaftsbe- 
hörde in $ 1666 BGB. zu entfalten hat, nicht rechtspflegender, son- 
dern rein verwaltender Natur, echte rechtspolizeiliche „ Fürsorge * 1%, 
Wenn der Amtsrichter damit auch nicht zum Verwaltungsbeamten 
im technischen Sinne gemacht wird, so nimmt er doch in dem 
ihm übertragenen Wirkungskreise verwaltende Staatsaufgaben wahr. 
Daraus, daß die Vormundschaftssachen ins BGB. gestellt sind, 
108 RG. bei GRUCHOT 38, 604; 50, 1002; unentschieden GRUCHOT 51, 
820. Die grundlegenden Darlegungen OETKERs über die Verwaltungstätig- 
keit des Konkursgerichts (S. 24 ff.) treffen noch weit eher für das Vormand- 
schaftsgericht, das unmittelbare Staatsaufgaben wahrnimmt, zu. A. A. 
GLAESSING, ArchöffR. Bd.16 S. 452, obwohl er zugibt, daß die Tätigkeit des 
Vormunds chaftsgerichts in verschiedener Hinsicht derjenigen der Verwaltung 
„analog“ ist. In unserm Sinne neuerdings auch RG. 75, 450. 
104 JosEF im „Recht“ 1910, S. 127 ff. 
108 JosEF a. a. OÖ. 
106 Stein, Komm. zur Zivilprozeßordnung, Teil I, 11. Aufl. (1913) zu 
8 148,
	        
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