Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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steht sich noch weniger von selbst, daß das in der Ausfertigung 
niedergelegte Urteil für jedermann, also auch für die Gerichte 
maßgeblich sei. Die Ausfertigung wird sicherlich stets eine 
Vermutung für die formelle Verfassungsmäßigkeit des Ge- 
setzes schaffen. Aber wenn LABAND und seine Anhänger diese 
Vermutung zu einer praesunitio juris et de jure stempeln, die einer 
Widerlegung im Prozesse schlechterdings nicht fähig sei’, so 
ist das eine ganz unverhüllte petitio prineipii. Sollte die Aus- 
fertigung von vornherein jeden Versuch eines Beweises ausschließen, 
daß der in ihr festgestellte Vorgang unrichtig beurkundet worden 
sei, so hätte das ausdrücklich gesagt werden müssen. Im Gegen- 
teil: da die Gerichte Recht und nur Reeht anzuwenden haben, 
so sind sie befugt, ja zutreffenden Falls verpflichtet, sich auf 
Antrag oder von Amts wegen zu vergewissern, ob das, was 
unter dem äußern Scheine des Rechts auftritt, wirkliches Recht, 
ob das, was sich Gesetz nennt, ein gültiges Gesetz ist. Sie wer- 
den nicht oft in die Lage kommen, es zu tun; aber verboten ist 
es ihnen. nicht. 
Noch viel weniger aber schneidet die Ausfertigung die rich- 
terliche Prüfung der materiellen Verfassungsmäßigkeit der 
Gesetze ab, d. h. die Prüfung, ob ein Gesetz die von der Ver- 
fassung für die einfache Gesetzgebung gezogenen Schranken einge- 
halten oder überschritten habe. Die Ausfertigung steht solcher 
Prüfung schon deshalb nicht im Wege, weil sie ein Urteil über 
jene Frage gar nicht abgibt; sie beurkundet nur, daß das Gesetz 
verfassungsmäßig „zustandegekommen“ ist, aber nicht, daß sein 
Inhalt.der Verfassung entspricht. Aber auch wenn man in der 
Ausfertigung die Abgabe eines entsprechenden Urteils erblicken 
wollte, so würde dies mit nichten ausschließen, daß der Richter 
dies Urteil für unzutreffend erklärte. Die Folgen, die die gegen- 
teilige Ansicht nach sich ziehen würde, wären ungeheuerlich, sehr 
  
  
108 LABAND, Staatsrecht a. a. O. 2, S. 44 ff.
	        
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