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Abberufung.
Durch $ 53 der badischen Verfassung ist dem Landtag das
Recht eingeräumt, durch Mehrheitsbeschluß das Gesamtministerium
oder einzelne Mitglieder desselben abzuberufen. An Stelle der
Forderung, daß die Minister auf ein Mißtrauensvotum des Land-
tags hin zurücktreten müssen, hat man hier dem Landtag ein
regelrechtes Abberufungsrecht eingeräumt. Ein Unterschied ist
hier lediglieh der äußeren Form nach vorhanden, ein Ministerium,
das das Vertrauen des Landtags nicht mehr besitzt, wird abge-
rufen, anstatt daß ihm ein Mißtrauensvotum erteilt wird, das es
zum Rücktritt zwingt. Die Folge dieses Abberufungsrechtes ist,
daß die Minister der Mehrheit des Landtags entnommen werden
müssen, wenn sie sich im Amt halten sollen.
Parteien und Regierungsbildung.
Eine genaue Berücksichtigung der Parteizugehörigkeit der
Minister im Gegensatz zur Schweiz, ergibt sich schon an und für
sich aus der schärferen Ausprägung der Parteigegensätze. Zwi-
schen den Parteien, die die Mehrheit im Landtag bilden, finden
schon vor der öffentlichen Sitzung, in der die Wablhandlung vor-
genommen wird, Besprechungen über die Verteilung der Minister-
posten statt. Die Wahl von Staatsräten erleichtert die zahlen-
mäßige Berücksichtigung der Parteistärken bei der Zusammen-
setzung des Ministeriums. Das erste Ministerium, das am 2. April
1919 nach den Vorschriften der neuen Verfassung vom Landtag
gewählt wurde, liefert den Beweis dafür. Der Landtag setzte sich
zusammen aus: 39 Abgeordneten des Zentrums, 36 Abgeordneten
der Mehrheitssozialdemokratie, 25 Abgeordneten der deutschen
Demokraten, 7 Abgeordneten der deutschnationalen: Volkspartei.
An der Mehrheitsbildung beteiligten sich Zentrum, Mehrheits-
sozialdemokratie und deutsche Demokraten. Das Ministerium
bestand aus 5 Vertretern des Zentrums (3 Staatsräte), 5 Ver-
tretern der Mehrheitssozialisten (2 Staatsräte) und 3 Vertretern