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Regierten wird der Staatsbegriff erfüllt. „Eine Vielheit von Men-
schen, die unter einer gemeinsamen Herrschaft stehen, ohne die
subjektive Qualität des Volkes zu haben“, (also: ohne genossen-
schaftlich verbunden zu sein) „wäre kein Staat, weil jedes die
einzelnen zu einer Einheit verbindende Moment mangelte. Einem
solchen Zustand entspräche etwa der eines Landesherrn oder Lehns-
trägers der mittelalterlichen Welt, der aus verschiedenen Rechts-
titeln eine Mehrheit von Territorien besaß, die trotz Gemeinsam-
keit des Herrschers keine innere Gemeinschaft bildeten und sich
ihrer rechtlichen Sonderexistenz bewußt blieben. In der Gegen-
wart bieten die deutschen Schutzgebiete ein trefiendes Beispiel
dafür, daß sogar innere Einheit der Staatsgewalt allein nicht aus-
reicht, um eine staatliche Einheit zu begründen. Die Schutzge-
walt ist mit der Reichsgewalt identisch, dennoch bilden die Schutz-
gebiete mit dem Reiche keine staatliche Einheit, weil das Volk
dieser Gebiete zwar vom Reiche beherrscht wird, aber mit dem
Volke dessen subjektive Qualitäten nicht teilt“ °. Das sind genau
die Sätze, denen sich ESMEIN anschließt. Paßt auch der Hinweis
auf die deutschen Schutzgebiete nicht mehr auf die neueste Gegen-
wart, so kann man ıhn doch leicht durch andere ersetzen: würde
der Staatsbegriff schon durch die Herrschaft über eine größere
Anzahl von Menschen erfüllt, so bedeutete die occupatio bellica
entweder die Gründung eines neuen Staates oder die Annexion an
einen andern. Gerade die französische Literatur hat aber gegen
diese Auffassung — und zwar schon längst vor dem letzten
Kriege — entschieden Widerspruch erhoben.
Bei Anwendung der mitgeteilten Theorie auf die Verhältnisse
des Saargebietes hat man zu fragen, ob seine Bewohner eine Ge-
nossenschaft, eine societe darstellen. Zur Beantwortung dieser
Frage bietet die französische Literatur, soweit ich sie zu über-
blicken vermag, kaum einen Anhaltspunkt, sie müßte denn die
® Allgemeine Staatslehre (1900) S. 366 ff.; 2. Aufl. (1905) S. 394 ff.