Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 43 (43)

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Regierten wird der Staatsbegriff erfüllt. „Eine Vielheit von Men- 
schen, die unter einer gemeinsamen Herrschaft stehen, ohne die 
subjektive Qualität des Volkes zu haben“, (also: ohne genossen- 
schaftlich verbunden zu sein) „wäre kein Staat, weil jedes die 
einzelnen zu einer Einheit verbindende Moment mangelte. Einem 
solchen Zustand entspräche etwa der eines Landesherrn oder Lehns- 
trägers der mittelalterlichen Welt, der aus verschiedenen Rechts- 
titeln eine Mehrheit von Territorien besaß, die trotz Gemeinsam- 
keit des Herrschers keine innere Gemeinschaft bildeten und sich 
ihrer rechtlichen Sonderexistenz bewußt blieben. In der Gegen- 
wart bieten die deutschen Schutzgebiete ein trefiendes Beispiel 
dafür, daß sogar innere Einheit der Staatsgewalt allein nicht aus- 
reicht, um eine staatliche Einheit zu begründen. Die Schutzge- 
walt ist mit der Reichsgewalt identisch, dennoch bilden die Schutz- 
gebiete mit dem Reiche keine staatliche Einheit, weil das Volk 
dieser Gebiete zwar vom Reiche beherrscht wird, aber mit dem 
Volke dessen subjektive Qualitäten nicht teilt“ °. Das sind genau 
die Sätze, denen sich ESMEIN anschließt. Paßt auch der Hinweis 
auf die deutschen Schutzgebiete nicht mehr auf die neueste Gegen- 
wart, so kann man ıhn doch leicht durch andere ersetzen: würde 
der Staatsbegriff schon durch die Herrschaft über eine größere 
Anzahl von Menschen erfüllt, so bedeutete die occupatio bellica 
entweder die Gründung eines neuen Staates oder die Annexion an 
einen andern. Gerade die französische Literatur hat aber gegen 
diese Auffassung — und zwar schon längst vor dem letzten 
Kriege — entschieden Widerspruch erhoben. 
Bei Anwendung der mitgeteilten Theorie auf die Verhältnisse 
des Saargebietes hat man zu fragen, ob seine Bewohner eine Ge- 
nossenschaft, eine societe darstellen. Zur Beantwortung dieser 
Frage bietet die französische Literatur, soweit ich sie zu über- 
blicken vermag, kaum einen Anhaltspunkt, sie müßte denn die 
® Allgemeine Staatslehre (1900) S. 366 ff.; 2. Aufl. (1905) S. 394 ff.
	        
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