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So muß man wohl sagen, daß der R.-Fin.-H. trotz seiner ausgezeich-
neten Rechtsprechungstätigkeit wegen der Entfernung seines Sitzes von
der Reichszentrale für die Einlebung unseres neuen Steuerrechts nicht
die Bedeutung erlangt hat, die man wünschen möchte.
Das ist doch eine sehr wichtige Lehre für die Wahl des Sitzes
des RVG.! Bei ihm kommen dieselben Gesichtspunkte verstärkt zur
Geltung. Denn noch mehr als beim Reichssteuerrecht, das doch immer-
hin auf einer umfassenden Kodifikation jüngsten Datums beruht,
spielen im Verwaltungsrecht die Verordnungen, Erwägungen des
Maßes und der Zweckmäßigkeit, das Gefühl für die Notwendigkeiten
der Praxis eine Rolle. Auch hier wird nur engste Fühlung mit den
Strömungen an der Zentrale der Verwaltung das höchste Gericht in
Stand setzen, seine gar nicht leichte Aufgabe zu erfüllen und sich
in der Verwaltung auch wirklich durchzusetzen. Das ist
ja bei einem Verwaltungsgericht nicht so ganz selbstverständlich; es
liegt anders als bei einem Zivilgericht, weil das Verwaltungsgericht
mit etwas rechnen muß, was dort nicht in Betracht kommt: den Gegen-
aktionen der aktiven Verwaltung. Daß der mächtigen preußischen
Verwaltung sehr leicht die Lust ankäme, und daß es ihr auch gar
nicht schwer fallen würde, dem fernen RVG. in Stuttgart, wenn es
unbequeme Entscheidungen erläßt, die Gefolgschaft zu verweigern,
kann man unschwer voraussagen: Das Kammergericht und das
preußische OVG. haben doch Mühe genug gehabt, sich mit ihrer
Rechtsprechung bei der Verwaltung Beachtung zu verschaffen, und es
ist ihnen keineswegs in allen Fragen gelungen®,.
erfahren, das zu $ 5 LandStG. erging und in allerdings auffallend scharfer
Weise aussprach, daß die Nichtbeachtung des vorgesehenen Einspruchs
des RFinMin, gegen Gemeindesteuerordnungen „mit der Rechtsgültigkeit
oder Rechtsungültigkeit der Gemeindesteuerordnung nichts zu tun habe“.
Vgl. MARKULL, Pr. VerwBl. 1921/22 S. 231. Dieser Artikel läßt erkennen,
daß sich zwischen RFinH. u. RFinMin. bereits ein Verhältnis herausge-
bildet hat, das im Interesse der Sache nicht erfreulich ist und das bei
enger räumlicher Verbindung sich wohl weniger leicht herausbilden würde.
® Es ist dabei von Bedeutung, daß Verwaltungsgerichtsurteile ja auch
nur für den Einzelfall wirken und daß keine rechtliche Pflicht für die
Verwaltung besteht, ihre Praxis einer solchen Rechtsprechung anzupassen:
Otto MAYER (Verwaltungsrecht? I 95 Anm. 23) weist darauf hin, wie
der preußische Minister des Innern jahrzehntelang einer ihm unbequemen
Auffassung des preußischen OVG. in vereinspolizeilichen Fragen wider-