Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 43 (43)

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stellt sein lassen, ob nicht damit nur gesagt sein soll, daß die 
Identität des Staates von seiner Verfassung unabhängig ist. Aber 
auch ganz abgesehen von der französischen Wissenschaft, ist es 
einleuchtend, daß man einen Staat nicht auf die Dauer von nur 
15 Jahren gründet. 
In der Tat bestand bei Abschluß des Friedensvertrags auch 
in den Kreisen unserer Gegner nicht die Absicht, einen besonderen 
„Saarstaat“ ins Leben zu rufen. Das ergibt sich mit voller Bestimmt- 
heit aus einem Artikel von ANDRE TARDIEU in der Illustration 
vom 12. Juni 1920, in dem er eine sorgfältige Darstellung der 
Verhandlungen innerhalb der alliierten Mächte bietet. 
Die französische Kommission, deren Vorsitzender TARDIEU 
selbst war, forderte ın erster Linie „kraft des Rechtes der 
Reparation“ die Uebereignung der Minen des Saargebiets auf 
den französischen Staat. Da aber deren Ausbeutung unter deut- 
scher Hoheit unmöglich sei, so verlangte sie in zweiter Linie die 
Wiederherstellung der Grenzen von 1814, wofür sie sich gleich- 
zeitig auf die von GOETHE geschilderte Stimmung der Bevölke- 
rung berief !°. Den ökonomischen Teil dieser Forderungen war 
WILSON geneigt zu bewilligen, aber er fügte hinzu, daß weder 
von Verlegung der Grenze, noch von der Errichtung eines 
autonomen Staates die Rede sein könne. Nunmehr trat eine 
gemischte Kommission zusammen, bestehend aus Franzosen, Eng- 
14 Abgedruckt bei Prıov, L’Organisation politique et economique du 
Territoire de la Sarre (Paris 1921) p. 197 £. 
"5 Diese französischen Argumente bezeichnet der Engländer H. W. V. 
TEMPERLEY, A History of the Peace Conference of Paris, vol. 2. (1920) 
p. 177 als historisch schwach. Abgesehen von Saarlouis, sei kein Teil des 
Gebiets länger als 23 Jahre in französischem Besitz gewesen, und was im 
Jahre 1814 in französischen Händen blieb, stelle nur einen Rest seiner 
revolutionären Erwerbungen dar. Möge auch im Jahre 1815 ein großer 
Teil der Saarbewohner die Abtrennung von Frankreich bedauert haben, 
so fehle es doch an jedem Beweis dafür, daß die gegenwärtige homogen 
deutsche Bevölkerung irgendeinen Wunsch nach Vereinigung mit 
Frankreich habe.
	        
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