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urteiledesForschersin dem oben festgestellten
Sınn auf dessen Theorie gefragt werden, zweitens nach
dem Einfluß der Theorie auf die politischen
Werturteile der Mit- und Nachwelt. Die erste
Frage bezieht sich auf die Forsehung, die zweite auf
die Lehre; die erste auf den Inhalt, die zweite auf die Ver-
breitung wissenschaftlich erarbeiteter und wissenschaftlich ge-
gründeter, sei es auch von subjektiven Werturteilen abhängiger
Erkenntnis. Nach diesen beiden Gesichtspunkten ist die folgende
Arbeit gegliedert.
A. Der Einfluß der Politik auf die Theorie.
Man pflegt als die vornehmste Tugend des Forschers und als
das Kennzeichen seiner Wissenschaftlichkeit seine „Objektivität“,
seine „Unparteilichkeit“ zu betrachten. Wenn damit der Einfluß
persönlichen Eigennutzes oder etwa äußeren Zwanges auf den In-
halt der Lehre ausgeschlossen werden soll, so sind wir alle darüber
derselben Meinung. Allein man versteht wohl im allgemeinen
unter der „Objektivität“ oder „Unparteilichkeit“ des Gelehrten
mehr. Worin dieses Mehr besteht, darüber herrscht allerdings,
wenigstens unter den Vertretern der Rechts- und Staatswissenschaf-
ten, auf die wir uns hier beschränken wollen, kaum durchgehends
Klarheit und Einigkeit. Vielleicht darf man sagen, daß der Sprach-
gebrauch, der in den Kreisen unserer Fakultät üblich ist, unter
„objektiver“ oder „unparteiischer“ Betrachtung die wertfreie
Betrachtung begreift, das heißt eine solche, welche unabhängig
von subjektiven Werturteilen des Forschers über den Gegenstand
seiner Betrachtung sei. Dabei ist unter „Wert“ nicht etwa der
„Wahrheitswert“ im Sinne RICKERTs gemeint, noch weniger ist
etwa eine Beziehung zum Weahrheitsbegriff der positivistischen
oder der pragmatistischen Philosophie hergestellt. Vielmehr wird als
„objektiv“ und „wertfrei* alles dasjenige begriffen, was nicht durch
die zufälligen Eigenschaften des einzelnen Individuums bedingt