Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 43 (43)

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Blüten gezeitigt hat. Voraussetzung all der ungeheuren Mengen 
von Regeln ist der Kadavergehorsam der Juristen, die dem Gesetz 
nichts hinzutun als die eigene — für, alle Menschen gleiche — 
Logik und die daher jeden Befehl, auch den verächtlichsten oder 
unsinnigsten, mit mathematischer Genauigkeit erfassen und aus- 
führen werden. Die Wissenschaft aber, die ein solches präzises 
Funktionieren der Juristenmaschinerie ermöglicht, ist eben die 
„positive*, die „dogmatische“, die „objektive“ Rechtswissenschaft. 
Die geschilderte, unser ganzes Rechts-, Staats- und Wirt- 
schaftsleben beherrschende Auffassung von der Objektivität der 
dogmatischen Jurisprudenz beruht auf zwei Voraussetzungen. 
Erstens, daß die Wissenschaft vom Inhalt des rechtlichen Sollens 
im wesentlichen deduktiv arbeite, zweitens, daß sie aus allgemein- 
gültigen Prämissen, nämlich dem für alle Menschen gleichen ge- 
gebenen Gesetzestext deduziere. Wenn beide Voraussetzungen zu- 
treffen, so steht in der Tat die rechtsdogmatische Deduktion der 
mathematischen in bezug auf „Allgemeingültigkeit“, auf „Ob- 
jektivität“, gleich. Ein Unterschied zwischen der Mathematik und 
der dogmatischen Jurisprudenz ergäbe sich dann, abgesehen von 
dem Anwendungsgebiet der Induktion in der Mathematik, nur in 
der zeitlich und örtlich bedingten Geltung der der Rechtsdog- 
matik zugrundegelegten positiven Rechtsgesetze und in dem bereits 
erwähnten Ermessensspielraum. 
Diese Aehnlichkeit zwischen der Mathematik und der dogma- 
tischen Rechtswissenschaft im Sinne des modernen Positivismus 
muß sich wohl jedem aufdrängen, der die eben dargestellte An- 
sicht teilt, nach weleher die Wissenschaft vom Inhalt des rechtlichen 
'Sollens ihre Gedankengebäude nur aus Gesetz und Logik errichtet. 
COHEN hat sich vielleicht durch diese Aehnlichkeit veranlaßt gesehen, 
in seiner „Ethik des reinen Willens* auf der Suche nach einem „Fak- 
tum der Wissenschaften zwischen der Rechtswissenschaft als der 
„Mathematik der Geisteswissenschaften“ und der Mathematik eine 
Parallele zu ziehen, „freilich“, wie er ausdrücklich betont, „nur 
als Analogie, nicht als Gleichheit“ (3. Aufl. S. 67).
	        
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