Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 43 (43)

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Juristen seinen Grund haben soll, dann sind eben alle Juristen 
ohne Ausnahme höchst unvollkommen und es ist erst recht er- 
wiesen, daß sich die positivistische Rechtswissenschaft, wenn sie 
eindeutige und evidente Antworten auf die Fragen des positiven 
Rechtes finden will, eine unlösbare und daher offenbar in ihren 
Prämissen doch irgendwie verfehlte Aufgabe gestellt hat. 
Angesichts dieser Sachlage muß man fragen, woher denn nun 
die positivistischen Juristen den Glauben an die Objektivität ihrer 
Deduktion schöpfen, wie der einzelne dazu gelangt, gerade seine 
Interpretation für die einzig richtige, gerade den von ihm ermit- 
telten Gesetzesbefehl für den einzig verbindlichen zu betrachten. 
Die Antwort ist außerordentlich leicht zu geben. Ob Gott 
oder ein ewiges Vernunftrecht, ob der Volksgeist oder der Geset - 
geber, der Staat, die Kirche, der Monarch, die herrschende Klasse, 
die Mehrheit, die Völkerrechtsgemeinschaft der Staaten, die Mensch- 
heit, oder was immer für ein Subjekt als dasjenige betrachtet 
wird, welches das Recht „will“, von dem das Recht „emaniert, 
oder dem es „zuzurechnen“ ist, dessen „Geist“ oder „ Wille“ aus- 
zulegen und anzuwenden ist, stets ist das Problem der Verbind- 
lichkeit der behaupteten Lösung in den Bereich der Meta- 
physik abgeschoben. Der „Gesetzgeber“, der „Staat“, 
die „Kirche“ usw. als Entstehungsquellen des Rechtes — nicht 
zu verwechseln mit dem unter den gegebenen Rechtsnormen 
stehenden Rechts- und Pflichtsubjekt der „juristischen Person*, 
die man als „Staat“, „Kirche* usw. bezeichnet — bleiben für den 
Anhänger des Positivismus metaphysische Probleme, 
gleichgültig, ob man die Verknüpfung zur Einheit „Wille“, „Ema- 
nation“, „Zurechnung“ oder wie immer nennt. Diesen metaphy- 
sischen Charakter ändert man auch nicht und trägt nichts zur 
Lösung bei, wenn man von einer „metajuristischen“ Natur der 
Frage spricht. Infolge dieses metaphysischen Charakters des Pro- 
blems kann jede beliebige Lösung, die nach dem subjektiven 
Sprachgefühl des jeweiligen Beurteilers noch mit dem Gesetzes- 
Archiv des öffentlichen Bechts. XLIII. 2. 11
	        
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