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tiven“ Rechte, soweit dieses nicht wissenschaftlich eindeutig fest-
stehende scharfe Begriffe, insbesondere Raum-, Zeit- und Zahl-
begriffe verwendet. Beispiele von Entscheidungen, in denen trotz
formell einwandfreier „rechtsdogmatischer Methode* die politische
Anschauung der Richter oder Beamten ganz besonders kraß zu-
tage tritt, bietet die Judikatur wohl aller Völker. Man denke
etwa an Strafprozesse wegen „politischer“ Delikte oder an Rechts-
streitigkeiten zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern; an kon-
fessionelle oder nationale Rechtsstreitigkeiten in Staaten mit mehre-
ren Konfessionen oder mehreren Nationalitäten; an die Auslegung
und Handhabung gesetzlicher Maßregeln gegen feindliche Aus-
länder wohl in den meisten kriegführenden Staaten ; an die sog.
„Recht“-sprechung der gemischten Schiedsgerichtshöfe auf Grund
der Friedensverträge. Von diesen krassesten Beispielen bis herab
zu den annähernd objektiven Entscheidungen, in denen im wesent-
lichen etwa nur Raum-, Zeit- und Zahlgrößen die Oberbegriffe
der Subsumption bilden, gibt es nur allmähliche Uebergänge,
nirgends eine scharfe Grenze. Fast das ganze Gebiet der dog-
matischen Rechtsanwendung ist daher, wenn auch in sehr ver-
schieden hohem Grade, der politischen Beeinflussung ausgesetzt,
selbst dort, wo die dogmatische Jurisprudenz ausschließlich einen:
unbestritten feststehenden (Gesetzestext nach allgemeingültiger,
„juristischer“ Methode zu behandeln glaubt.
Vielfach tritt diese Beeinflussung nicht über die Schwelle
des Bewußtseins des entscheidenden Richters oder Verwaltungs-
beamten. Aber auch wenn dieser mit noch so gutem Gewissen
überzeugt ist, dem Einfluß subjektiver politischer Werturteile ent-
gangen zu sein, so fehlt doch der „objektive“ Maßstab, an dem
er allgemeingültig dartun könnte, daß er „objektiv“ entschieden
habe. Tritt ihm ein anderer entgegen, der mit ebenso gutem Ge-
wissen zu einer entgegengesetzten Entscheidung gelangt ist, so
werden beide einander der Parteilichkeit beschuldigen oder aber
den Bankerott der „juristischen Methode“, d. h. des Positivismus
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