Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 43 (43)

— 164 — 
zugeben müssen. Betrachten wir etwa Entscheidungen wie die des 
französisch-deutschen gemischten Schiedsgerichtshofes vom 19. Ok- 
tober 1921 in dem Rechtsstreit des Office de Verification et de 
Compensation pour l’Alsace-Lorraine gegen das Reichsausgleichs- 
amt, vom 24. Oktober 1921 ım Prozesse der Societe Vinicole de 
Champagne gegen das Haus Mumm in Rheims, oder die des fran- 
zösisch-österreichischen gemischten Schiedsgerichtshofs vom 30. No- 
vember 1921 in Sachen des Office des Biens et Interöts prives 
gegen das österreichische Abrechnungsamt und den Verband öster- 
reichischer Banken und Bankiers. Uns erscheint jedes derartige 
Urteil zunächst als Ergebnis einer gewollten Parteinahme des von 
der Entente mit Raffinement ausgesuchten und uns aufgezwungenen 
„neutralen“ Vorsitzenden für die niedrigsten und schäbigsten Macht- 
instinkte des Siegers gegen den Besiegten. Aber gerade dann, 
wenn wir dem „neutralen“ Vorsitzenden keinerlei bewußte Pflicht- 
verletzung, sondern den besten Willen zur „Objektivität“ zubilli- 
gen, zeigen derartige Entscheidungen, wohin der Wahn von der 
Objektivität der Rechtsdogmatik führt, wie er die Jurisprudenz 
zur Dirne erniedrigt, die sich dem jeweiligen Machthaber an den 
Hals wirft; gerade dann bilden derartige Entscheidungen für alle 
Ewigkeit nicht ein Schandmal für die „neutralen“ Vorsitzenden, 
sondern für die Rechtsdogmatik überhaupt, die solche Akte offen- 
sichtlicher politischer Parteinahme mit der Würde der objektiven 
Wahrheit umkleidet. 
Der Einfluß der Subjektivität auf die Entscheidung des Juri- 
sten wird desto größer, je mehr wir uns in das Gebiet allgemeiner 
Ausdrücke wie „Treu und Glauben“, „Billigkeit“ u. dgl., in die 
Gebiete der „quaestio facti*, der verschiedenen Arten des „Er- 
messens“, der Rechtsfindung:. wie nach Art.1, Abs. 2 des schwei- 
zerischen Zivilgesetzbuchs usw. begeben. Dies bedarf wohl keiner 
Ausführung. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist es 
auch nicht erforderlich, auf das Verhältnis der bis jetzt darge- 
legten Auffassung zu meiner Lehre vom freien Ermessen und von
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.