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den kategorischen und disjunktiven Normen (Band XXXIV, 1915,
S. 162 ff. dieser Zeitschrift) einzugehen und es sei gestattet, die
Behandlung dieses Themas einer anderen Gelegenheit vorzube-
halten.
Noch klarer wird der Einfluß der Subjektivität im Falle der
Stellungnahme des Juristen zu einer eben ausgebrochenen Revolu-
tion, zu einem eben erfolgten Staatsstreich oder zu der Bildung
neuen Gewohnheitsrechtes im Widerspruch mit bisherigem posi-
tivem Recht, welch letzterer Fall meines Erachtens theoretisch wie
eine Revolution oder ein Staatsstreich im Kleinen behandelt werden
muß. Auch diese Sätze erfordern keine nähere Erörterung.
Mit der „Objektivität“ der dogmatischen Jurisprudenz ist es
also nichts. Die neuere T'heorie hat denn auch vielfach gefühlt,
daß dasjenige, was man Rechtsdogmatik nennt, auf schwankendem
Boden steht. Viele suchen ihre „Objektivität“ zu retten, indem
sie zu kausaler, „soziologischer“ Rechtswissenschaft, andere, indem
sie zur Logik, „juristischen Logik*, „Rechtslogik*, zu streng formal-
methodologischen Studien, ihre Zuflucht nehmen. Von der ersten
dieser Richtungen ist noch zu sprechen. Die zweite bewahrt die
Allgemeingültigkeit, aber nur gerade so weit, als sie die Rechts-
wissenschaft opfert. Mit Logik allein, ohne zu dem materiellen
Inhalt der Prämissen Stellung zu nehmen, kann man die Probleme
der Spezialwissenschaften nicht lösen. Nicht, daß Logik und
Studium der Logik für den Juristen wertlos wären. Sie sind ihm
unentbehrlich wie dem Klavierspieler die Technik. Aber wehe
dem Klavierspieler, der nichts als Technik zu bieten hätte! Die
Frage, was ist Recht, was ist Inhalt des rechtlichen Sollens, heischt
wissenschaftlich und praktisch Antwort. Wer sich jedoch auf lo-
gische Studien über die Rechtswissenschaft beschränkt, ohne den
Inhalt der Prämissen zu erörtern, der kann nie zu einer Antwort
auf diese Frage gelangen, der treibt daher noch keine Rechts-
wissenschaft, der bewegt sich, vom Standpunkt der Spezialwissen-
schaft, auf dürrer Heide, und ringsumher liegt schöne grüne Weide.