Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 43 (43)

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wesentlichen Punkten beseitigt. Die gesetzgebende Gewalt geht auf 
die Bürgerschaft allein über, $ 56, die Senatsmitglieder bedürfen des 
Vertrauens der Bürgerschaft und müssen zurücktreten, wenn ihnen 
dies entzogen wird, $ 53. Die beratenden Deputationen sind beibe- 
halten. An eine solche kann die Bürgerschaft eine zu ihrer Zuständig- 
keit gehörende Angelegenheit vor endgültiger Stellungnahme zur Vor- 
bereitung und Begutachtung verweisen. Die Deputation wird aus 
Vertretern der Bürgerschaft und des Senats gebildet, 8 28. Auch die 
Mitwirkung der Bürgerschaft bei der Verwaltung ist erhalten geblieben 
8 61. Ein Enqueterecht ist der Bürgerschaft in der neuen Verfassung 
nicht beigelegt worden. 
An der Hand dieser Darlegungen ist die Verfassungsmäßigkeit 
des angefochtenen Beschlusses der Bürgerschaft zu erörtern. Der 
Beschluß ist dem Artikel 34 der neuen Reichsverfassung nachgebildet, 
welcher auch in die Verfassung vieler Länder Aufnahme gefunden hat. 
In erster Linie fragt sich, ob die Einsetzung von parlamentarischen 
Untersuchungsausschüssen an sich selbst — also zunächst abgesehen 
von den den Ausschüssen zur Durchführung ihrer Aufgabe beigelegten 
Machtmitteln — der bremischen Verfassung widerspricht. Diese Frage 
ist zu verneinen. Es gibt keine Bestimmung in der Bremer Ver- 
fassungsurkunde oder in dem sogenannten materiellen Verfassungsrecht 
Bremens, die den’Worten oder dem Sinne nach die Einsetzung von 
Ausschüssen verböte. Allerdings sieht der $ 28 der Verfassung vor, 
daß die Bürgerschaft Angelegenheiten, die zu ihrer Zuständigkeit ge- 
hören, an einen beratenden Ausschuß, der aus Vertretern der Bürger- 
schaft und des Senats besteht, verweisen kann. Dabei handelt es sich 
also um einen gemeinschaftlichen, nicht um einen rein parlamentari- 
schen Ausschuß. Aber der $ 28 ist nur dispositiver Natur. Es ist 
nirgends vorgesehen, daß andere Ausschüsse, als die gemeinschaftlichen 
„beratenden Deputationen“ unzulässig sein sollen. Die Einsetzung 
von parlamentarischen Ausschüssen ist an sich also nicht verfassungs- 
widrig. Vorausgesetzt ist dabei allerdings, daß es sich um Ausschüsse 
handelt, die den vorstehend angeführten, von der Rechtslehre ent- 
wickelten Regeln entsprechen; sie dürfen nur von Fall zu Fall einge- 
setzt werden; sie dürfen nur mit solchen Angelegenheiten befaßt wer- 
den, die verfassungsgemäß zur Zuständigkeit der Bürgerschaft stehen ; 
sie dürfen nur Tatsachen erörtern und feststellen, dagegen nicht in 
die Verwaltung irgendwie eingreifen. Der Senat hat denn auch in 
seiner Mitteilung an die Bürgerschaft vom 13. August 1920 im letzten
	        
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