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Akt, in dem dies geschehen wäre, ist überhaupt nicht bekannt.
Daß die Donaumonarchie ihre Befugnisse in diesem Sinne auf-
faßte, stand schon zu der Zeit fest, in der die fortdauernde Sou-
veränität der Türkei offiziell bestätigt wurde. Bereits im März
1879 nämlich hatte Oesterreich-Ungarn eine provisorische Agrar-
verfassung für die beiden Provinzen veröffentlicht, und erst am
21. April 1879 schloß es mit der Pforte den Konstantinopler
Vertrag ab, dessen Präambel die Fortdauer der Souveränität des
Sultans ausspricht. Dabei erscheint diese Fortdauer nicht etwa
als die Auffassung nur der kontrahierenden Staaten, sondern als
die durch den Berliner Kongreß geschaffene Voraussetzung. Sie
wird also durch die Autorität aller Kongrekmächte getragen.
Dazu kommt noch ein weiteres. Kurz vor Beendigung des
Berliner Kongresses, und zwar am 4. Juni 1878, hatte die Türkei
einen Vertrag geschlossen, durch den sie England die Besetzung
der Insel Cypern und deren Verwaltung (administration) über-
trug. Auf Grund dieses Vertrags erließ unter dem 21. Dez. 1878,
ohne die Zustimmung des Sultans eingeholt zu haben, der eng-
liısche Oberkommissar, General WOLSELEY, eine Ordonnanz über
die Gerichtsverfassung, das Strafrecht, den Prozeß und mehreres
andere. Auch diese Tatsache war bekannt, als die Türkei mit
Oesterreich-Ungarn den Vertrag von Konstantinopel einging. Man
wußte also von verschiedenen Seiten her, daß aus dem Recht, ein
Gebiet zu verwalten auch das Recht der Gesetzgebung
abgeleitet werde, und dennoch hielt man an dem Bestand der tür-
kischen Souveränität fest.
Ein dritter Unterschied zwischen den Bestimmungen über
Bosnien und .der Herzogowina auf der einen Seite und den das
Daargebiet betreffenden auf der andern liegt darin, daß die er-
steren die Verwaltung auf einen Staat übertrugen, die letzteren
dagegen nicht auf einen Staat, sondern auf einen Staaten-
© S. dazu: SARIPOLOS in der Revue de droit international tome XII
p. 389 ff., tome XIV. p. 331 £.
Archiv des öffentlichen Rechts. XLIII. 1. 3