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dem „Land“, vertreten durch seinen Staatspräsidenten, eine gesetzliche
Parteistellung zuweisen, weil die Vollstreckung durch den Reichs-
präsidenten sich immer gegen das Land nach Art. 48 Abs. 1 RV.
richten müsse. In der Literatur (bei Anscaütz und GIESE) wird
allerdings ebenfalls die Auffassung vertreten, daß die Vollstreckung
des Reichspräsidenten auf Grund von Art. 19 sich in Gemäßheit des
Art. 48 Abs. 1 vollziehen müsse. Hierfür bietet indessen m. E. weder
der Wortlaut, noch der Sinn der Verfassungsbestimmung einen Anhalt.
Man muß die verschiedenen Fälle, in denen ein Urteil nach Art. 19
ergehen kann, unterscheiden. Handelt es sich um einen Streit zwischen
Reich und Land, so kommt natürlich auch die Vollstreckung gegen
das Land in Frage. Anders ist dagegen die Lage bei Verfassungs-
streitigkeiten „innerhalb eines Landes“. Warum soll hier das Land,
innerhalb dessen sich 2 Parteien gegenüberstehen, in die Rolle der
Partei und des Vollstreckungsgegners gezwüngen werden? Der Staats-
gerichtshof und der Reichspräsident treten hier vielmehr an die Stelle
eines höchsten Landesorgans. Wie die Reichsinstanz in der
Landessache entscheidet, so kann auch der Reichspräsident hier un-
mittelbar gegen die als streitende Teile aufgetretenen Landesorgane
vollstrecken. Das ist kein mit den föderativen Zügen der Verfassung
unvereinbarer Eingriff in die Selbständigkeit der Länder. Die Länder,
die die Anwendung der ganzen Bestimmung durch Bestellung eines
eigenen Gerichtes ausschalten können, sind, wenn sie dies unterlassen,
doch offenbar mit diesen besonderen Befugnissen der Reichsinstanzen
„innerhalb des Landes“ einverstanden. Die Auffassung des Staats-
gerichtshofes müßte doch auch zu der Konsequenz führen, daß bei
allen Verfassungsstreiten innerhalb eines Landes, die vor den Staats-
gerichtshof kommen, die Parteirolle des Landes angenommen wird.
Sind z. B. Regierung und Landtag streitende Teile, so müßte das
Land als zweite Partei noch neben den Landtag treten. Die Regie-
rung stünde ihrem eigenen Lande gegenüber. Die Auffassung des
Staatsgerichtshofes entspricht aber schließlich auch nicht dem Wort-
laut des Art. 19. Dieser setzt wirklich streitende Teile voraus, von
denen einer den Antrag auf Entscheidung stellt. Andere Parteien
sind dem Art. 19 unbekannt.
2. Die Entscheidung im Bremer Falle läßt es dahingestellt, ob
die im $ 4 Abs. 4 der bremischen Verfassung für den Einspruch des
Senats vorgeschriebenen Förmlichkeiten auch dann beachtet werden
müssen, wenn nicht ein Volksentscheid nach der bremischen Verfassung,
sondern eine Entscheidung des Staatsgerichtshofes begehrt wird.