Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 43 (43)

Das richterliche Prüfungsrecht*. 
Von 
Dr. RICHARD THOMA, Prof. d. Rechte a. d. Universität Heidelberg. 
J. Die Frage nach dem Umfang des richterlichen Prüfungs- 
rechts eröffnet den Blick auf eine Fülle einzelner Probleme, die 
in ihrer Verzweigtheit unmöglich in ein mündliches Referat zu- 
sammengepreßt werden könnten. Deshalb soll hier nur ein einziges 
Teilproblem aufgerollt und erörtert werden: Esist die Frage, ob der 
unabhängige Staatsbürger und also auch der Richter ein einfaches 
Gesetz auf seine inhaltliche Uebereinstimmung mit der 
Verfassungsurkunde prüfen und ihm im Falle der Nichtüberein- 
stimmung den Gehorsam verweigern darf!. 
* Vortrag v. 14. Oktober 1922 vor der ersten Konferenz der deutschen 
Staatsrechtslehrer. 
ı Es ist üblich, dies als die Frage der „materiellen“ Verfassungsmäßig- 
keit der Gesetze zu bezeichnen, und dieser Ausdruck mag beibehalten 
werden, obwohl genau besehen die für Verfassungsänderungen vorgesehenen 
Erschwerungen (insbes. Zweidrittelmehrheit) auch formell-rechtlicher Natur 
sind. — Als selbstverständlich wird im folgenden vorausgesetzt, daß de 
lege lata den Normen über Verfassungsänderung genügt ist, wenn ein von 
der Verfassungsurkunde inhaltlieh abweichendes Gesetz in den für Ver- 
fassungsänderungen vorgeschriebenen Formen erlassen wird. Einer aus- 
drücklichen Aenderung oder Einschränkung des betroffenen Verfassungs- 
artikels bedarf es nicht. — De lege ferenda würde sich eine verfassungs- 
gesetzliche Einschränkung dieser laxen Praxis und Lehre allerdings 
dringend empfehlen im Interesse größerer Unantastbarkeit der grundgesetz- 
lichen Prinzipien. — Darüber, daß bei Verfassungsänderungen die quali- 
fizierte Mehrheit nur in der entscheidenden Schlußabstimmung erforderlich
	        
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