Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 43 (43)

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Prinzip des bloß verfassungsmäßigen Gehorsanmıs! Ja, KELSEN in 
seinem Kommentar zur österr. Verfassung (1922, S. 182) be- 
hauptet jetzt, den Gerichten stehe „a priori“ die Prüfung der Ver- 
fassungsmäßigkeit der Gesetze zu, es sei denn, daß sie ihnen 
ausdrücklich entzogen wäre. Ein Satz, mit dem für uns im Reiche 
die Sache kategorisch entschieden wäre. 
Aber der Satz ist nicht richtig, weil das ja eben die Frage 
ist, ob das formgerechte Produkt der Legislative über oder unter 
den Gerichten stehe! Es gibt hier kein a prior. Wenn die 
Verfassungsurkunde schweigt, so läßt sich weder für noch gegen 
das richterliche Prüfungsrecht ein logisch zwingendes, demon- 
strierbares Argument ins Feld führen. 
Damit erweist sich unsere Frage methodologisch als ein 
wirkliches Problem. Nicht als ein Scheinproblem, dessen 
richtige Lösung nur der Irrtum verfehlen könnte, sondern als 
ein echtes Problem, das immer nur mittels einer subjektiven 
Interessenabwägung gelöst werden kann, letzten Endes also mit 
dem Willen, nicht mit der Logik. 
Diese Einsicht ist natürlich richtunggebend für die weitere 
Behandlung der gestellten Aufgabe. Sie ist nicht neu! TRIEPEL 
hat den voluntaristisch-politischen Einschlag des Problems klar 
erkannt, wenn er in seinem Aufsatz über den Weg der Gesetz- 
gebung unter Verzicht auf alle Scheingründe erklärt (S. 536 ff.): 
das Prüfungsrecht sei der wichtigste Schutz der bürgerlichen 
Freiheit gegenüber einem machthungrigen Parlamente; also 
sollten wir es heute bejahen, auch wenn wir es unter der 
konstitutionellen Monarchie verneint haben. — Wir sollen es 
bejahen, lehrt auch BÜHLER, weil es, von anderem abgesehen, ein 
Mittel sei, das zur Autorität der Verfassungsurkunde beiträgt. 
In der Tat: Anders, als mit derartigen Erwägungen der 
7weckmäßigkeit kann hier. nicht argumentiert werden! 
Nur muß selbstverständlich die der Entscheidung voran- 
gehende Interessenabwägung eine allseitige sein. Das wird sie
	        
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