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in fortdauernder Geltung bleiben. Letzteres ist die Voraussetzung,
auf der der Verfasser einen Teil seiner Darlegungen aufbaut.
Näher spricht sich darüber der Italiener ESPERSON aus °®. Sein
Gedankengang ist folgender:
Erwirbt ein Staat ein bestimmtes Gebiet durch Abtretung, so
ist er grundsätzlich nicht Rechtsnachfolger des abtretenden Staates
hinsiehtlich der von diesem abgeschlossenen völkerrechtlichen Ver-
träge. Wäre Oypern von der Türkei an England abgetreten wor-
den, so hätten mithin die Kapitulationen dort ihre Gültigkeit
verloren und die dort weilenden Ausländer ständen ohne Unter-
schied unter englischer Gerichtsbarkeit. Da aber die Souveränität
bei der Türkei geblieben ist, so dauert die Wirksamkeit der Kapi-
tulationen in Cypern fort, und die fremden Konsuln sind nach wie
vor berechtigt, die Jurisdiktion über ihre Schutzbefohlenen auszu-
üben. — In der Tat konnte erst im Jahre 1882 von dem Journal
de droit international prive p. 458 berichtet werden, daß die Kon-
sulargerichtsbarkeit tatsächlich (virtuellement) in Cypern aufge-
hoben sei. Aber noch im Jahre 1890 erklärte sie das tribunal
de Tunis als fortbestehend °!.
Die gleiche Frage nach der Fortdauer der türkischen Sou-
veränität wurde in den achtziger Jahren des vergangenen Jahr-
hunderts praktisch, nachdem Italien Massaua okkupiert hatte.
Auch in diesem Falle hatte der Minister der okkupierenden Macht
(Mancini) erklärt, daß die Souveränitätsrechte des Sultans un-
berührt blieben®. Als nun im Jahre 1888 Italien eine Steuer
ausschrieb, die auch auf den in Massaua lebenden Europäern
lasten sollte, protestierte Frankreich, weil die von der Türkei ab-
geschlossenen Kapitulationen dort noch in Kraft ständen, und
führte aus, daß demgemäß die Jurisdiktionskonsuln auch ihre Ge-
°° Revue de droit international tom. XI p. 587 ff.
°1 ROBIN a. a. OÖ. p. 451.
®2?2 MÜLLER, Politische Geschichte Bd. 19 S. 177; SCHULTHESS, Euro-
päischer Geschichtskalender Bd. 26 S. 315.