— 45 —
als Referendum in dem oben angeführten Sinne zu werten. Aus
dem gleichen Grunde muß auch die Volksabstimmung über die
Absetzung bzw. Wiederwahl des Reichspräsidenten mit behandelt
werden.
II.
Versuchen wir zunächst die einzelnen Fälle, in denen
das Referendum oder das Volksbegehren wirksam werden kann
oder muß, systematisch zu gliedern. Wir erwähnten oben, daß
die Mitwirkung des Volkes bei Erledigung bestimmter Staatsge-
schäfte sich, abgesehen von dem Singularfall der Volksabstimmung
über die Absetzung oder Wiederwahl des Reichspräsidenten (Reichs-
verfass. Art. 43, Abs. 2) in zwei Fällen zeigt: Im Verlaufe eines
bestimmten Gesetzgebungsverfahrens und bei einer bestimmten Ge-
bietsveränderung !”. In beiden Fällen sind die Mittel dieser Mitwirkung
Volksentscheid und Volksbegehren. Das fakultative Referendum
tritt im Verlaufe eines bestimmten Gesetzgebungsverfahrens in die
Erscheinung: 1. bei Divergenz der Legislative und Exekutive und
zwar einmal veranlaßt: Vom BReichspräsidenten oder der Regierung
sofort nach einem bestimmten Parlamentsbeschluß oder von der
Regierung nach erfolgloser Beanstandung eines solchen oder end-
lich veranlaßt vom Parlament. 2. Bei Divergenz von Parlaments-
mehrheit und Parlamentsminderheit, letztere verbunden mit einem
Bruchteil der Stimmberechtigten, auf Betreiben der beiden zuletzt
Genannten, 3. bei Divergenz von Parlamentsmehrheit und Stimm-
berechtigtenfraktion und endlich 4. bei Divergenz zweier Legislativ-
organe. Neben dem fakultativen Referendum steht das obligato-
rische, das jedoch nur vereinzelt und nur bei verfassungsändernden
Gesetzen praktisch wird. — Das Volksbegehren kann sich einmal
auf den Erlaß, die Abänderung oder Aufhebung eines einfachen
oder verfassungsändernden Gesetzes, sodann auf die Auflösung
des Parlaments erstrecken.
1? Die einschlägigen Artikel oder Paragraphen werden unten bei den
näheren Ausführungen erwähnt.