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scheint uns die Möglichkeit eines den Absetzungsantrag veran-
lassenden Konfliktfalls zwischen Reichspräsident und Reichstag ge-
geben zu sein bei akuten vom Reichspräsident ausgehenden poli-
tischen Maßnahmen, die der Mehrheit des Reichstages nicht ge-
nehm sind, die aber, bevor sie rechtswirksam werden können, den
Reichstag passieren müssen. Hier gibt der Verlauf des weiteren
Verfahrens, evtl. ein Regierungswechsel gemäß Art. 54, wohl aus-
nahmslos hinreichend Gelegenheit, die politischen Ansichten und
Wünsche des Reichstages, vorbehaltlich eines Volksentscheids, dem
Reichspräsidenten gegenüber durchzusetzen. Wahrscheinlicher ist,
daß der Reichstag eher von seinem Rechte aus Art. 43 Abs. 2
Gebrauch machen wird, wenn die außerhalb seiner Zuständigkeits-
sphäre erfolgenden zumeist wohl über einen längeren Zeitraum sich
ausdehnenden politischen Maßnahmen des Reichspräsidenten dessen
der Politik der Volksvertretung nicht kongruente politische Haltung
in die Erscheinung treten lassen. Wenn er z. B. durchaus im
Rahmen seiner Kompetenzen gemäß Art. 46 durch Entlassung und
Ernennung von Beamten und Offizieren dem Reichsbeamtenkörper
allmählich eine der Reichstagsmehrheit unwillkommene politische
Färbung gibt, oder wenn er .nach politischen Unruhen von dem
ihm nach Art. 49, Abs. 1 zustehenden Begnadigungsrechte zu-
gunsten einer der Reichstagsmehrheit nicht angehörenden vielleicht
sogar verfassungsfeindlichen Partei weit über „normale“ Billigkeit
hinausgehend Gebrauch macht und diese dadurch übermäßig stärkt
— in solchen und ähnlichen Fällen wird dem Reichstag die Be-
seitigung des Ministers, der gegengezeichnet hat, oder des gesamten
Kabinetts häufig nicht genügen, vielmehr auch der Rücktritt des
Reichspräsidenten von seinem im Gegensatz zur Reichstagsmehr-
heit ausgeübten Amte dringend erwünscht und geboten erscheinen.
Ein Einzelfall oder mehrere solcher „eine fortgesetzte Handlung“
darstellenden Einzelfälle werden stets den Konflikt zum Ausbruch
kommen lassen, doch als tieferliegende Ursache werden nicht Einzel-
maßnahmen des Reichspräsidenten, höchstens eine Kette von solchen,