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setze dem Referendum vorenthält, kann er niemals selbständig,
sondern stets nur im Verein mit einer !/sMehrheit der Bürger-
schaft Gesetze der Volksabstimmung unterbreiten. — Preußen und
Braunschweig, kennen als einzige deutsche Freistaaten das Referen-
dum auf Betreiben der Regierung nicht. Zwar hat auch in letz-
terem die Regierung das Recht der Beanstandung gegenüber den
Gesetzessanktionen und Beschlüssen des Landtages (Art. 39), jedoch
stellt dieses Recht nur ein suspensives Veto in der typischen
Form dar, eine Wiederholung der Gesetzessanktion bzw. eines Be-
schlusses ist endgültig, der Appell an das Volk ist der Exekutive
verwehrt. Eine eigenartige Regelung sieht die Lübecker Verfas-
sung vor (Art. 61 ff.). Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen
Senat und Bürgerschaft „über das, was das Staatswohl erfordert“,
nicht jedoch über Verfassungsänderungen, wird bei Dringlichkeit
der Angelegenheit von beiden ein paritätisch zusammengesetzter
Vertrauensausschuß bestellt, der binnen 14 Tagen mit Stimmen-
mehrheit bei Anwesenheit sämtlicher Mitglieder bzw. ihrer Stell-
vertreter seinen Spruch abzugeben hat. Es ist beachtlich, daß
diese Regelung, inhaltlich im wesentlichen übereinstimmend, dem
Art. 75 ff. der bisherigen Verfassung nachgebildet ist*?, nur mit
dem grundlegenden Unterschiede, daß es bisher bei dem Spruch
der „Entscheidungskommission* sein Bewenden hatte (Art. 85
Satz 2), während nach der neuen Verfassung gegen den Beschluß
des Vertrauensausschusses der Senat (ebenso die Bürgerschaft s. u.)
binnen 3 Tagen nach dessen Verkündung den Volksentscheid
anrufen kann. In Lübeck ist diesem mithin nur ein sehr begrenzter
Wirkungskreis eingeräumt worden.
In nicht wenigen deutschen Staaten reichen die verfassungs-
mäßigen Kompetenzen der Exekutive noch weiter. In diesen ist
nämlich, wenn ein Konfliktsfall zwischen Regierung und Parlament
#3 BOLLMANN, Das Staatsrecht der freien Hansestädte Bremen und
Lübeck im öffentl. Rechte der Gegenwart, Bd. 27. Tübingen 1914 S. 73. —
KOELLREUTTER, Das parlam. System, S. 10.