§ 59. Die Rechtsverhältmisse der Reichsbeamten. 689
statthaft zu bezeichnen. Insbesondere beruhen alle aus dem Kanzleramte hervor-
gegangenen Aemter auf Art. 15, die Marineämter auf Art. 583, die Konsulate auf
Art. 56, nicht aber auf den Etatsgesetzen. .
Das Etatsgesetz ermächtigt die Regierung nur, Geld für eine Behörde aus-
zugeben. Die Beamten können aus dem Grunde allein, daß für ihre Stelle Gehalt
oder eine Gehaltserhöhung im Etat bewilligt ist, nicht auf Gehalt oder Gehaltserhöhung
gegen den Staat klagen. Sie können dies vielmehr nur aus dem Grunde, daß sie
durch die Regierung angestellt find. Werden für eine Behörde die erforderlichen
Mittel im Etatsgesetze nicht bewilligt, so besteht die Behörde gleichwohl rechtlich
fort und die Beamten können ihr Gehalt gegen den Staat einklagen 1. Für den
Beamten ist das Etatsgesetz überhaupt nicht maßgebend, da es nur zwischen der
Regierung und der Volksvertretung Recht macht. Die Gesetzgebung, Bundesrath
und Reichstag, find frei in der Gewährung oder Versagung von Mitteln für neue
Behörden, neue Stellen, höhere Dotation von Stellen: sie find dagegen gebunden,
die Mittel für die gesetzlich bestehenden Behörden und Stellen zu bewilligen 2. Die
Nichtbewillung bedeutet, daß die Regierung für die Verausgabung der nachträglichen
Genehmigung, Indemnität, bedarf; sie ist aber ohne Einfluß auf das Verhältniß
zwischen Staat und Beamten.
Bei Ausübung seines Beamtenernennungsrechts ist der Kaiser, wie an alle
Gesetze, so besonders an die gebunden, welche über die Qualification, z. B. für
Reichsgerichtsräthe, besondere Vorschriften enthalten. Bei einzelnen Beamten, bei
den Mitgliedern und Reichsanwälten des Reichsgerichts (§§ 127, 150 Gerichts-
verfassungsgesetzes), den Mitgliedern des Bundesamts für das Heimathwesen (§ 42
des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes= und Staats-
angehörigkeit vom 1. Juni 1810, B.-G.-Bl. 1870, S. 355), des Rechnungshofes
(5 2 des Gesetzes, betreffend die Kontrole des Bundeshaushalts für die Jahre 1867
bis 1869, vom 4. Juli 1868, B.-G.-Bl. 1868, S. 433), des Reichsbankdirec-
toriums (§ 27 des Bankgesetzes vom 14. März 1875, R.-G.-Bl. 1875, S. 177),
den ständigen Mitgliedern des Reichs-Versicherungsamtes, des Patentamtes und
sonst, besitzt der Bundesrath ein Vorschlagsrecht, an welches aber der Kaiser nicht
gebunden ist. «
§59.DieRechtsverhältnisseduReichöbmutem
Wer fällt unter den Begriff Reichsbeamte?
Wir haben es hier nicht mit irgend welchen Beamten zu thun, sondern nur
mit denen, welche im Sinne des Gesetzes, betr. die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten,
vom 31. März 1873 (R.-G.-Bl. 1873, S. 61) Beamte find. Dieses Gesetz ist
abgeändert durch die Gesetze vom 21. April 1886 (R.-G.-Bl. 1886, S. 80), 25. Mai
1887 (R.-G.-Bl. 1887. S. 194) und Art. 43 des Einführungsgesetzes zum B. G. B.
Es gilt in Helgoland gemäß der Verordnung, betreffend die Einführung von
Reichsgesetzen in Helgoland, vom 22. März 1891 (R.-G.-Bl. 1891, S. 21) und
mit einzelnen Abweichungen für die Landesbeamten und Lehrer in Elsaß-Lothringen
(G.-Bl. f. Elsaß-Lothringen 1873, S. 479, 1887, S. 85), für die Landesbeamten
in den Schutzgebieten durch Verordnung, betreffend die Rechtsverhäktnisse der Landes-
beamten in den Schutzgebieten, vom 9. August 1896 (R.-G.-Bl. 1896, S. 691).
Das Reichsbeamtengesetz findet nur in Ansehung seiner Vorschriften über das
Defectenverfahren (§§ 134 bis 148) auf die Personen des Soldatenstandes An-
1 Vgl. Arndt, Verordnungsrecht, S. 157,] 2 Fürst Bismarck am 1. Dezember 1885
ferner oben §§ 36 und 43, sodann Erk. des im Reichstage: „Wenn Sie mir mein Gehalt
eichsgerichts vom 25. September 1883, 9. April streichen, so werde ich einfach vor Gericht klagen,
1885, 1. Märk 1836, Entsch. in Civils., Bd. XKI, und das Reich wird verurtheilt werden, solange
S. 296, Bd. XlII, S. 261, Bd. XV. S. 274 ich Reichskanzler bin, mir mein Gehalt zu be-
a. a. O. zahlen“ (Sten. Ber. 1885, S. 135).
* Oben §§ 36 und 43.