Nunderlaß des Reichskanzlers vom 24. Dez. 1914. 71
russischer Meinung vorläufig ausgeschaltet war,
hat Deutschland von dem Tage, wo er geäußert wurde, mit
aller Energie, die ihm zu Gebote stand, in Wien unter-
stützt. Kein Staat kann ehrlicher und energischer danach
gestrebt haben, den Frieden der Welt zu erhalten, als
Deutschland.
England selbst verzichtete nunmehr darauf, seine Kon-
ferenzidee weiter zu verfolgen, und unterstützte auch seiner-
seits den Gedanken der direkten Verhandlungen zwischen
Wien und Petersburg (Blaubuch 67).
Diese begegneten jedoch Schwierigkeiten, und zwar
Schwierigkeiten, die nicht von Deutschland und Osterreich-
Ungarn, sondern von den Ententemächten herbeigeführt
wurden. Sollte Deutschlands Bemühen gelingen, so be-
durfte es des guten Willens der nicht unmittelbar enga-
gierten Mächte, es bedurfte aber auch des Stillhaltens
der Hauptbeteiligten, denn wenn eine der beiden Mächte,
zwischen denen vermittelt werden sollte, die im Gange be-
findliche Aktion durch militärische Maßnahmen störte, so
war von vornherein klar, daß diese Aktion nie zum Ziele
gelangen konnte.
Wie stand es nun mit dem guten Willen der Mächte?
Wie Frankreich sich verhielt, ergibt sich mit Deutlich-
keit aus dem französischen Gelbbuche. Es traute den deut-
schen Versicherungen nicht. Alle Schritte des deutschen Bot-
schafters, Freiherrn von Schoen, wurden mit Mißtrauen
aufgenommen, sein Wunsch auf mäßigende Einwirkung
Frankreichs in Petersburg wurde nicht beachtet, denn man
glaubte annehmen zu sollen, daß die Schritte Herrn von
Schoens nur dazu bestimmt waren, „à compromettre la
France au regard de la Russie“. Aus dem französischen
Gelbbuch ergibt sich, daß Frankreich keinen einzigen
positiven Schritt im Interesse des Friedens getan hat.
Was für eine Haltung hat England angenommen? In
den diplomatischen Gesprächen gab es sich den Anschein,