A.
Abandon s. Seerecht.
Abbau s. Arrondierung.
Abbrechen der Verbindung. So hoch-
stehend dem Völkerrecht der Grundsatz der Unab-
hängigkeit und freien Willensbildung der Staaten
gelten muß, kann doch nicht übersehen werden,
daß der Staat nicht für sich allein da ist und nicht
sich selbst zum alleinigen Zweck hat. Abgeschlossen
von andern Staaten und angewiesen für immer
auf denselben Boden, dieselben Produkte, dieselben
äußeren und inneren Einwirkungen, müßten in
dieser Enge Staat und Volk verkümmern und er-
starren, weil keine äußere Anregung und Belebung
mehr stattfände, welche die vorhandenen Elemente
verjüngen und beleben würde. Der Hauptzweck
eines Volkes, sich frisch und lebensfähig zu er-
halten, sich weiter zu entwickeln und durch sein
eigenes Voranschreiten die Gesamtentwicklung des
Menschengeschlechts zu fördern, wäre also dabei
unerreichbar. Ein nicht minder wichtiger Grund
für die Notwendigkeit und Unerläßlichkeit des
Völkerverkehrs, die Soziabilität, ergibt sich aus
der von der Vorsehung weise eingerichteten Teilung
der Güter der Erde, wonach jeder einzelne Erdteil
vermöge der besondern Eigentümlichkeiten der
geologischen Beschaffenheit und des Klimas eine
Menge von Produkten darzubieten hat, welche in
andern Teilen entweder nur unvollkommen und
notdürftig oder gar nicht vorkommen und doch
immer notwendiger werden, je weiter die Kultur-
entwicklung voranschreitet.
Das Völkerrecht bedürfte vermöge der Natur
der Dinge nicht wohl noch weiterer Ausführungen,
um zu erweisen, daß neben der Anerkennung und
Achtung der selbständigen und unabhängigen Per-
sönlichkeit der Staaten als Hauptgrundsatz auch
die Verkehrsnotwendigkeit unter den Staaten auf-
zustellen ist, und es wäre kaum nötig, in die ein-
schlägigen Erörterungen der Völkerrechtslehrer
näher einzugehen, wenn nicht noch weitere Ge-
sichtspunkte erübrigen würden, welche diese Ver-
kehrsnotwendigkeit auch als Folge und Bedingung
des politischen Lebens der Staaten erscheinen lassen.
Allerdings bedurfte es geraumer Zeit, bis die Er-
kenntnis zum Durchbruch gelangte, daß jedes Volk
an dem Gesamtleben der internationalen Staaten-
gemeinschaft fortwährenden und innigen Anteil zu
nehmen habe, aber diese Anteilnahme auch nicht
weiter gehen dürfe, als sie für das Gesamtleben
förderlich ist und die besondere organische Tätig-
keit des einzelnen Volkes nicht stört und hemmt.
Staatslexikon. I. 3. Aufl.
Abgesehen von diesen allgemeinen Gründen der
Verkehrsnotwendigkeit entstanden im Lauf der
Zeiten unter den Staaten noch viele andere Ver-
hältnisse, welche die Unterhaltung eines wechsel-
seitigen Verkehrs erfordern, und zwar eines freund-
lichen, wohlwollenden. Dem war allerdings nicht
immer so. Die Anbahnung dauernder Verbin-
dungen unter den Staaten ist nicht so fast auf das
gegenseitige Wohlwollen und den Gemeingeist als
auf den Eigennutz und ein System der Über-
wachung und Übervorteilung zurückzuführen. Daß
die Regierungen besonders solche Verbindungen
und Organe des Völkerverkehrs, welche ihnen
mehrenteils aufgenötigt wurden, nur mit Miß-
trauen betrachteten, darf nicht wundernehmen.
Das Abbrechen solcher Verkehrsbeziehungen, die
Ausweisung von Gesandten und Unterhändlern,
die man als Ausspäher zu beargwöhnen meistens
guten Grund hatte, besaß unter den damaligen
Verhältnissen nicht jene folgenschwere Bedeutung
wie in unsern Tagen. Auch pflegten sich die Ge-
sandten einer solchen Maßregel erst nach langen
Verhandlungen und Winkelzügen zu fügen, meist
erst dann, wenn sie ihre geheimen Absichten voll-
ständig erreicht hatten. Erst nachdem sich festere
Regeln, eine ständige Ubung und ein Zeremoniell
im Gesandtschaftswesen ausgebildet hatten, nach-
dem die Legation aus einem mehr oder minder
abenteuerlichen Unternehmen ein Staatsamt ge-
worden war, gelangte das Recht, Gesandte ab-
zuschicken und zu empfangen, als eines der Grund-
rechte souveräner Staaten zur allgemeinen An-
erkennung. Ein geregelter diplomatischer Verkehr
galt seit dem Anfang des 18. Jahrh. als wesent-
liche Voraussetzung der guten Beziehungen zwi-
schen den Staaten, und das Abbrechen dieses Ver-
kehrs als unzweideutiges Zeichen einer Trübung
derselben. Dieses Abbrechen der internationalen
Beziehungen ist nun entweder ein definitives, ein
interimistisches oder ein nur bedingtes. Definitiv
wird der Gesandtschaftsverkehr bei Ausbruch eines
Krieges abgebrochen. Die wechselseitige Abberu-
fung des ständigen Personals, welches das Privi-
legium der Exterritorialität genießt, ist eben wegen
dieser seiner Eigenschaft eine unvermeidliche Folge
des ausgebrochenen Krieges. Dies schließt nicht
aus, daß während des Krieges oder des Still-
stands desselben außerordentliche Bevollmächtigte
in diplomatischer Mission abgeordnet werden. Den
Konsuln wird (zumeist, aber nicht notwendig) das
Exequatur entzogen und die Vertretung der Inter-
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