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losigkeit.“ Anders gestaltete sich die Sache in der
fränkischen Zeit; dort werden bereits neben den
ingenui oder liberi in den Quellen schon die
nobilesgenannt, die beieinigen deutschen Stämmen
ein höheres Wergeld und andere Vorrechte genießen.
Der Abstand zwischen dem Adel und den übrigen
Ständen war am größten in Sachsen. Ehen von
Adligen mit Gemeinfreien galten hier für uneben-
bürtige Ehen. Daß die Verehelichung von Königen
mit Frauen niederen Standes seitens der Großen
nicht gern gesehen wurde, ist leicht begreiflich. Sie
wurde indessen ertragen und hatte keine Rechts-
folgen zu ungunsten der aus solchen Ehen ent-
sprossenen Deszendenz. Im Haus der Karolinger
galt zwar die eheliche Geburt als Bedingung der
Zulassung zur Thronfolge, wie dies Ludwig der
Fromme bei der Reichsteilung vom Jahr 817 als
Prinzip anerkannte; aber die Ebenbürtigkeit der
Mutter des Thronfolgers wurde nicht gefordert.
Wenigstens liegen keine Beweise dafür vor, daß
dies der Fall gewesen wäre. Noch weniger kann
davon die Rede sein, daß in diesen Zeiten die Ehe
eines vollfreien Mannes höheren Ranges mit einer
vollfreien Frau niedern Standes gesetzliche Folgen
zu ungunsten der letzteren und ihrer Kinder gehabt
hätte. Das Recht jener Zeiten, in denen sich der
Vasallenstand noch nicht zu einem erblichen aus-
gebildet hatte, spricht den Satz aus: Non est nisi
liber et servus (Cap. Caroli M. a. 803, § 1).
Wenn man dagegen sich auf Meinhard (Un transl.
S. Alexandri Lanni 851) c. 1 (Pertz. Mon.
Germ. SS. II 695) stützen wollte, so könnte
man doch nur ein sächsisches Stammrecht der älte-
sten Zeit daraus ableiten.
Im Mittelalter gab es eine Reihe rechtlicher
Beziehungen, in die man nur mit Standesgenossen
oder Untergenossen treten konnte, während man
von den Übergenossen als unebenbürtig ausge-
schlossen wurde (vgl. hierzu und zum folgenden
R. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgesch.
1 1907] 471ff und die dort zitierte Lit.). Die
landrechtliche Bedeutung der Ebenbürtigkeit bezog
sich teils auf das Gerichtswesen teils auf das
Privatrecht. In letzterer Beziehung galt das Prin-
zip der Ebenbürtigkeit im Vormundschaftsrecht und
im Erbrecht.
Das aktive Recht der Vormundschaft und das
gesetzliche Erbrecht stand nur dem Ebenbürtigen zu.
Für die Ehe aber wurde Gleichbürtigkeit beider
Ehegatten verlangt. Demgemäß hat eine Ehe
unter Ungenossen als Mißheirat (ungleiche Ehe,
disparagium) trotz bürgerlicher und kirchlicher
Gültigkeit nicht die vollen Ehewirkungen. Bei der
standesgleichen Ehe teilte die Frau für die Dauer
der Ehe unbedingt das Recht des Mannes, nach
Auflösung der Ehe kehrte sie zu ihrem angebornen
Recht zurück. (Daß dies der Fall war, wenn die
Ehe durch den Tod des Mannes aufgelöst wurde,
entnimmt Schröder (Ebenbürtigkeit 471)] dem
Sachsenspiegel 1 33; aus Sachsenspiegel III 72,
73 81 ergibt sich weiter, daß die Mutter, wenn
Ebenbürtigkeit.
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sie starb, nicht nach dem Recht des Mannes, son-
dern nach Maßgabe ihres Geburtsstandes beerbt
wurde.) Die Kinder erhielten den Stand des
Vaters (Rechtssprichwort: Swar't kint is vri unde
echt, der behalt it sines vader recht, Sachsen-
spiegel I 16 8 2). Bei der Mißheirat wurde die
Frau zu ihrem untergenössischen Mann hinab-
gezogen für die Dauer der Ehe, wurde aber nicht
von dem übergenössischen Ehemann hinaufgezogen,
sondern behielt ihren geringeren Stand (ogl.
Schröder, Rechtsgesch 473). Nach einigen Weis-
tümern aus dem 15. Jahrh. kam es vor, daß der
freie Mann, der eine fremde Leibeigene heiratete,
dadurch selbst der Knechtschaft verfiel (Weistum
des Oberbreisgaus von 1461 § 39, bei Grimm,
Weistümer III740). Die Kinder einersolchen Miß-
ehe folgten regelmäßig der ärgeren Hand (Grimm,
Weistümer 1 155 §F 15, 184, 354 §9 59, 735;
III 18, 212 ff usw.). Der Sachsenspiegel drückte
dies dahin aus, daß das Kind bei der Ehe zwischen
Freien und Ministerialen den Stand erhalte, in
dem es geboren sei, d. h. also der Mutter folge
(Sachsenspiegel I 16 8 2). Der Beweis der freien
Geburt mußte durch je drei Zeugen von Vater-
und Mutterseite geführt werden (Sachsenspiegel
III 32 8 5). Ungewiß ist es, ob das nach dem
Tod des Vaters geborene Kind an der Rückkehr
der übergenössischen Mutter zu ihrem Geburts-
stand teilnahm; eine friesische Rechtsquelle des
14. Jahrh. gestattete einer solchen Mutter, unter
Beobachtung gewisser Förmlichkeiten, auch die
während der Ehe geborenen Kinder an ihrem
Standeswechsel teilnehmen zu lassen (vgl. Richt-
hofen, Fries. Rechtsquellen 539 § 21; Unter-
suchungen über fries. Rechtsgesch, II 1093). End-
lich aber machte sich vielfach eine Rechtsentwicklung
in der Richtung geltend, daß die mit einem Hörigen
oder Unfreien verheiratete Frau überhaupt in ihrem
Geburtsstand belassen, der Stand der Kinder aber
immer nach dem der Mutter geregelt wurde (Grimm,
Weistümer I 648; III 65 8§ 27f, 638, 675,
722 § 11 usw. Urkundenbuch der Länder ob der
Enns 1 377. Nr 175 usw.).
Fürsten und Edle bildeten einen einheitlichen,
durch das Ebenbürtigkeitsprinzip nicht berührten
Geburtsstand; bloß in prozessualischer Beziehung
genossen erstere seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrh.
das Privileg, in Sachen, die Leben, Ehre oder
Reichslehen betrafen, nur von ihresgleichen ab-
geurteilt zu werden (vgl. Franklin, Reichshofgericht
im Mittelalter II (1869] 134/157). Zwischen
ihnen und den Gemeinfreien stand die Uneben-
bürtigkeit der letzteren schon zur Zeit des Sachsen-
piegels fest, nur in betreff der Eheschließung
galt noch Standesgleichheit (vgl. Schröder, Rechts-
gesch. 474, A. 142). Erst nachdem sich in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrh. auch hier die ent-
scheidende Wendung vollzogen hatte, war die heute
zu Recht bestehende Abgeschlossenheit des hohen
Adels gegen die übrigen Stände vollendet (Deut-
schenspiegel 62; Schwabenspiegel TIhrsg. von
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