Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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scheint die Freiheit des Fiskus von Staatssteuern, 
da er ja mit dem Staat eine und dieselbe Person ist. 
Der Fiskus ist in jedem Staat nur eine Per- 
son. Wenn man vom Forstfiskus, vom Domänen- 
fiskus, vom Eisenbahnfiskus usw. spricht, so sind 
dies nur die verschiedenen Seiten der fiskalischen 
Verwaltung, es sind verschiedene Behörden, ver- 
schiedene Klassen derselben sonst einheitlichen Per- 
sonen, es sind stationes fisci, getrennte Kassen, 
aber nicht getrennte Fisci. Insofern diese ver- 
schiedenen Behörden untereinander Rechtsgeschäfte 
machen, sind dies eigentlich nur Scheingeschäfte, 
Verwaltungsakte. Es ist daher unter den einzelnen 
Fisci kein eigentliches Rechtsverhältnis, sondern 
nur ein Abrechnungsverhältnis denkbar. Tritt 
z. B. der Forstfiskus an den Eisenbahnfiskus ein 
Grundstück ab, so erfolgt die Umschreibung im 
Grundbuch, ohne daß eine Auflassung vorhergeht 
(Entscheidungen des preuß. Kammergerichts X 
11891) 311). Dieser Grundsatz der Einheitlich- 
keit war z. B. in Preußen früher nicht durch- 
gehends anerkannt, ist aber unbestritten seit 1850 
(Entscheidungen des Obertribunals XX (18511] 
19), und in dem heutigen Staatsrecht wird man 
ihn nirgendwo mehr in Frage stellen. Im Wider- 
spruch damit scheint zu stehen, daß, wenn jemand 
z. B. dem Eisenbahnfiskus eine Zahlung schuldig 
ist, aber vom Forstfiskus eine solche zu erhalten 
hat, er nicht kompensieren, nicht Forderung gegen 
Schuld verrechnen kann. Diese Einrichtung ist 
aber lediglich ein Erfordernis für die Klarheit und 
Sicherheit in der Kassenverwaltung und enthält 
keinen abweichenden Grundsatz. 
Die Vertretung des Fiskus erfolgt im all- 
gemeinen durch die Behörde, zu deren Verwal- 
tungsbereich das fragliche Rechtsgeschäft gehört. 
Der Finanzminister hat im ganzen die Aufgabe, 
die für die Verwaltung nötigen Mittel zu be- 
schaffen; er ist der Hauptvertreter der fiskalischen 
Interessen, aber die einzelnen Ressorts haben doch 
die Wahrnehmung der staatlichen Vermögens- 
interessen im einzelnen und führen auch die sie an- 
gehenden Prozesse. — In Bayern bestehen aller- 
dings besondere Einrichtungen für diese Wahr- 
nehmung: im Finanzministerium zwei Kron- 
anwälte, bei den Kreisregierungen Kreisfiskalate, 
dann noch besondere Vertretungen bei den Staats- 
verkehrsanstalten und bei der Heeresverwaltung. 
In Sachsen hat das Finanzministerium die Ver- 
tretung des Staatsfiskus; für einzelne Zweige 
sind aber besondere Verordnungen hinsichtlich der- 
selben erlassen (z. B. für die Generaldirektion bei 
den Staatseisenbahnen). Ahnlich in Württem- 
berg (Sarwey). 
Der besondere Gerichtsstand für den Fiskus 
ist aufgehoben (in Preußen seit 1849). Der Fiskus 
nimmt Recht und wird verklagt bei dem Gericht 
des Ortes, in welchem die zuständige Behörde 
ihren Wohnsitz hat. Der Fiskus genoß lange Zeit 
hindurch mannigfache Privilegien, sowohl nach 
materiellem wie nach prozessualem Recht. Im 
Fiskus. 
  
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Laufe der Zeit sind diese Vorrechte mehr und mehr 
zusammengeschrumpft; die neueste Gesetzgebung 
hat weitere Schritte unternommen, um die völlige 
Gleichstellung des Fiskus mit andern juristischen 
Personen herbeizuführen. Die prozessualen Ver- 
günstigungen sind durch die Zivilprozeßordnung 
vollständig beseitigt. Im materiellen Recht sind 
einige Vorzugsrechte auch im B.G.B. noch als 
notwendig anerkannt worden (vgl. B.G.B. S§ 45, 
46. 395, 928, 981, 1936, 1964/66, 2011). 
Dagegen hat das B. G.B. die Haftung des 
Fiskus für schuldhaftes Verhalten seiner Vertreter 
in privatrechtlichen Verhältnissen vollständig kon- 
form der der übrigen juristischen Personen ge- 
regelt, indem er nach den gleichen Grundsätzen 
wie diese durch das Verhalten seiner Vertreter 
unmittelbar berechtigt, aber auch verpflichtet wird 
(ogl. B.G. B. §§ 31, 89, 278). Soweit jedoch 
der Beamte in Ausübung seiner Amtsgewalt han- 
delnd Schaden zugefügt hat, ist die Frage der 
Haftung des Staates durch das B.G.B. nicht 
gelöst worden; vielmehr ist in dieser Hinsicht das 
Landesrecht unberührt geblieben (Einf. Ges. Art. 
77). Das Prinzip der Nichthaftung wurde bisher 
in der Reichsgesetzgebung nur durch die Grund- 
buchordnung vom 24. März 1897 (§ 12) durch- 
brochen, wo der Staat im Fall der Verletzung der 
Amtspflicht durch einen Grundbuchbeamten dem 
Beteiligten gegenüber für haftbar erklärt wurde. 
Des weiteren vgl. hinsichtlich der Haftpflicht des 
Staates und anderer öffentlicher Verbände bei 
Ausübung der öffentlichen Gewalt d. Art. Haft- 
icht. 
In Deutschland ist seit dem Norddeutschen Bund 
bzw. seit der Begründung des Deutschen Reiches 
der Reichsfiskus entstanden als ein von der 
privatrechtlichen Persönlichkeit der Bundesglieder 
verschiedenes Subjekt von Vermögensrechten. Es 
ergibt sich dies aus der Natur des Bundesstaates, 
während der frühere Deutsche Bund wohl Ge- 
sellschaftsvermögen, aber keinen Bundesfiskus hatte. 
Das B.G. B. erachtet das Bestehen eines Reichs- 
fiskus als selbstverständliche Voraussetzung (val. 
B.G.B. §§ 981, 1936). Was oben über die 
Einheitlichkeit des Fiskus gesagt ist, gilt auch für 
den Reichsfiskus. Seine Rechte richten sich nach 
den hinsichtlich des Fiskus in dem betreffenden 
Einzelstaat bestehenden gesetzlichen Vorschriften. 
Er soll nicht besser und nicht schlechter stehen als 
der Fiskus der Einzelstaaten. Der Reichsfiskus 
besitzt demgemäß die Steuerfreiheit in dem Um- 
fang wie der Landesfiskus. Bestritten ist die 
Frage wegen der Heranziehung zu Gemeinde- 
abgaben durch Einkommensteuer. Die Behörden 
behaupten in der Praxis die Steuerfreiheit. Ein 
darauf bezüglicher Gesetzentwurf ist 1874/75 un- 
erledigt geblieben. Die Abgrenzung zwischen dem 
Reichsfiskus und den Fisci der Einzelstaaten ist be- 
gründet auf den Verwaltungsbefugnissen. Rechts- 
geschäfte, welche durch Reichs= oder Staatsbehör- 
den im Namen des Reichs abgeschlossen werden,
	        
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