Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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schmilzt im Schatten des Waldes der Schnee 
später als auf freiem Lande. Bei Regengüssen 
stellen sich dem abfließenden Wasser im Walde 
mechanische Hindernisse entgegen, welche seine 
Geschwindigkeit vermindern und daher das Ein- 
strömen in das Flußbett verzögern. Außerdem 
wird durch den Wald das Geschiebe an den Berg- 
hängen in höherem Grade zurückgehalten als im 
freien Lande. Dadurch kann also der Wald bei 
Überschwemmungen einen günstigen Einfluß aus- 
üben. Daß die Wassermengen der Flüsse in histo- 
rischer Zeit sich dauernd vermindert hätten, ist 
nicht erwiesen, noch weniger die Behauptung, daß 
dies von der weitgehenden Waldrodung herrühre. 
Während in der Ebene und im Hügellande der 
Wald auf die angrenzenden Grundstücke keinen 
Einfluß äußert, ist der Wald des Gebirges für 
die nähere und entferntere Umgebung oft von ent- 
scheidender Wichtigkeit. Durch Bindung und Be- 
festigung des Schnees vermindert er die Gefahr 
des Lawinensturzes, schützt also das unten liegende 
Kulturland vor Überschüttung mit Schneemassen, 
Steinen usw. Durch die Beschattung des Bodens 
und die Abschwächung der Temperaturextreme 
verlangsamt er die Verwitterung der Felsmassen, 
und durch den mechanischen Widerstand der Bäume 
verhindert er das Ablösen der Felstrümmer und 
deren Sturz in die kultivierten Ländereien des 
Tales. Die Wurzeln der Waldbäume halten den 
Boden mechanisch zusammen. Da durch die Baum- 
kronen das Abfließen des Wassers ebenfalls ver- 
mindert wird, so wird das Abrutschen des Bodens, 
die Entstehung von Wildbächen und das Über- 
schütten des Talgrundes verhindert oder wenig- 
stens verringert. Endlich ist im Gebirge vielfach 
der Widerstand des Waldes gegen die Luftströmung, 
der Schutz vor Wind für die Vegetation des Futter- 
grases von hoher Bedeutung. — In der Nähe von 
Luftkurorten, Bädern, von größeren Städten und 
Industrieansiedlungen dient der Wald als Er- 
holungsort, welcher körperliche und geistige Er- 
frischung bietet. — Auch aus ästhetischen Rück- 
sichten, um die Eintönigkeit des Landschaftsbildes 
zu mildern, kahle Felswände zu überkleiden, 
Sümpfe und Moore zu überdecken, wird die Forst- 
kultur zu Hilfe genommen. 
Die Wirkung des Waldes als Vegetationsdecke 
erstreckt sich vielfach über den mit Wald bedeckten 
Boden und das Interesse des Waldbesitzers hin- 
aus. Größere oder kleinere Gebiete (Dörfer, 
Flußtäler), nahe oder entfernt gelegene Ländereien 
(bei Uberschwemmungen) stehen unter dem Einfluß 
des Waldes. Es ist hauptsächlich der Bergwald, 
welcher in dieser Beziehung von Wichtigkeit ist. 
Diese Bedeutung wird um so größer, je steiler der 
Hang, je größer der Gebirgszug, je gefährlicher 
das Klima (Lawinenbildung), je weicher die Be- 
schaffenheit der Felsmassen ist. — Die ökonomi- 
schen Ursachen der Verteilung des Waldes weisen 
nun dem Walde ebenfalls die Hänge und die Ge- 
birge als seinen Standort zu. Es fallen also beide 
Forstwirtschaft usw. 
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Forderungen zusammen, soweit die dem Walde 
zuzuweisende Fläche in Betracht kommt. Im Ge- 
birge vertritt das Weideland die Stelle des Acker- 
landes. Zu Weidegrund werden ebenfalls die 
sonnigen und weniger steilen Stellen gewählt, die 
steileren verbleiben dem Walde. Es ist also auch 
im Gebirge die Scheidung zwischen relativem und 
absolutem Waldboden vollzogen; nur ist, den na- 
türlichen Verhältnissen des Gebirges entsprechend, 
die Abgrenzung weniger scharf und der Übergang 
vom Walde zur Weide und umgekehrt oft kaum 
bemerkbar. — Wenn nun auch die theoretische 
Begründung des Einflusses des Waldes noch in 
manchen Punkten unsicher ist, so ist dies praktisch 
von geringer Tragweite. In kultivierten Ländern 
ist die Verteilung des Waldes in der Hauptsache 
abgeschlossen; was jährlich geändert wird, beträgt 
kaum ein Prozent der Waldfläche. Die Einwirkung 
des Staates erstreckt sich daher tatsächlich auf ge- 
ringe Flächen. Der „absolute Waldboden“ be- 
darf aber des gesetzlichen Schutzes nicht, da er aus 
ökonomischen Gründen nicht gerodet wird. Da- 
gegen kann er schlecht bewirtschaftet werden. In 
dieser Beziehung sind aber dem Eingreifen des 
Staates je nach den verschiedenen Waldbesitzern 
gewisse Schranken gezogen. 
V. Die verschiedenen Arten von Waldbe- 
kitzern. Die folgenden übersichten enthalten den 
Nachweis über die Verteilung des Waldbe- 
sitzes unter die wichtigsten Arten der Besitzer: den 
Staat, die Gemeinden, Korporationen, Stiftungen 
und die Privaten (s. Tabellen auf Sp. 205). Wie 
die Tabelle zeigt, haben die verschiedenen Besitzer in 
den einzelnen deutschen Ländern und Landesteilen 
ganz verschiedene Bedeutung erlangt. Die histo- 
rische Entwicklung und geschichtliche Vorgänge der 
neueren und neuesten Zeit haben zu dieser bunten 
Verteilung geführt. 
Aus der Statistik geht hervor, daß im allgemei- 
nen die Privatwaldungen gegenüber allen übrigen 
Besitzesarten vorwiegen, daß aber in kleineren Ge- 
bieten auch die Staats-, Gemeinde- und Korpora- 
tionswaldungen vorherrschende Bedeutung haben. 
Mit diesem Verhältnis steht das Vorkommen des 
Groß-, Mittel= und Kleinbesitzes im Zu- 
sammenhang. 
Nach der Aufnahme vom 14. Juni 1895 beträgt 
die Zahl der Betriebe: 
857 164 = 89,86% 
unter 10 ha 
10—100 ha 82 531 = 8,65% 
11 730 = 1,23% 
100—1000 ha 
1000 ha und darüber 2449 — 0,26% 
im ganzen 953 874 = 100% 
Der Staat ist in der Regel Besitzer ausgedehnter 
Flächen. Die Privaten sind vorherrschend Klein- 
besitzer, außer wo der adlige Grundbesitz herrscht. 
Mittlere Waldflächen sind in der Regel im Besitze 
der Gemeinden. Auf die Wirtschaft übt die Größe 
des Besitzes einen sehr erheblichen Einfluß aus. 
Der Großbesitz ist über weite Gebiete verbreitet; 
günstige und ungünstige Verhältnisse des Bodens, 
des Klimas oder des Absatzes und der Preise der 
  
  
 
	        
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