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richte zugute, insofern sie Lehrer und Schüler see-
lisch näherbringen und verhüten können, daß der
rohe Ton der Werkstätten in die Schule über-
tragen wird, was gar oft geschieht. Voraus-
setzung dazu ist allerdings noch mehr als in der
Volksschule, daß der Lehrer durch und durch eine
taktvolle, echt pädagogische Persönlichkeit ist, der
es gelingt, Berater und väterlicher Freund seiner
Schüler in ihren kritischsten Entwicklungsjahren zu
werden.
Aus der sehr reichen Literatur seien von
neueren Werken angeführt: Patuschka, Praxis der
F. (1889); Lüders, Denkschriften über die Entwick-
lung der gewerbl. Fachschulen u. F. in Preußen
während der Jahre 1879/90 (1891) und während
der Jahre 1891/95 (1896); Pache, Handbuch des
deutschen Fortbildungsschulwesens (7 Bde, 1896 bis
1905); Billeb, Die F. (1896); Lindner, Die sittlich-
relig. Weiterbildung der Jünglinge durch die F.
(1896); Roscher, Gewerbl. Unterricht, im Handwör-
terbuch der Staatswissensch. IV (21900); Endris, Die
F. (1897); Sombart, über die Zukunft des Klein-
gewerbes (1898); Romberg, Gewerbl. Bildungs-
wesen (1899); Kerschensteiner, Beobachtungen u.
Vergleiche über Einrichtungen für gewerbliche Er-
ziehung (1901); Sendler u. Kobel, übersichtliche
Darstellung des Volkserziehungswesens der europ.
u. außereurop. Kulturvölker (2 Bde, 1900ff); Glind-
meier, Dieländl. F. (1901); Lautz, Fortbildungs= u.
Fachschule für Mädchen (1902); Henschke, Zur Ein-
führung in die Theorie u. die Praxis der Mädchen-
F. (1902); Otto, Notwendigkeit obligatorischer F.
(1903); Mehner, Fortbildungsschulkunde (1903);
Simon, Das gewerbl. Fortbildungs= u. Fachschul-
wesen in Deutschland, ein überblick (1903); Bern-
hardt, F. für Mädchen (1904); Germer, Fortbil-
dungs= u. Fachschulen in den größeren Orten
Deutschlands (1904); Otto, Die ländl. F. (1905);
Siercks, Das deutsche Fortbildungsschulwesen nach
seiner geschichtl. Entwicklung u. in seiner gegen-
wärtigen Gestalt (1908; Sammlung Göschen);
Reich, Die ländl. F. als notwendiger Faktor unserer
Volksbildung (1908).— Zeitschriften: Die deutsche
F. (Wittenberg, seit 1892; bis 1906 hrsg. von O.
Pache, seitdem von Scharf); Die gewerbl. F. (Wien,
seit 1905, hrsg. von Mayerhöfer); Die ländl. F.
(Leipz., seit 1905, hrsg. von Kälker); Die F. (Leipz.,
seit 1907, hrsg. von Germer). [E. M. Roloff.)
Fortschrittspartei, Deutsche, s. Par-
teien, politische.
Fourier s. Sozialismus. #
Frankreich. I. Geschichte. 1. Mittel-
alter. Durch seine Lage war Frankreich zur
Vermittlung der antiken Kultur und des Christen-
tums für das westliche, germanische Europa be-
stimmt. Seit Cäsars Kriegen (58/51 v. Chr.)
gehörten die gallischen Provinzen über 400 Jahre
lang zu den wichtigsten des römischen Reiches.
Die keltische Landessprache wich der lateinischen,
deren Tochter die französische ist, und an den
Hauptstätten römischer Kuliur. Marseille, Vienne,
Narbonne, L#on, Trier, faßte früh auch das Chri-
stentum Wurzel. In der Völkerwanderung wurde
das Land eine Beute der Germanen; die West-
goten nahmen 419 den Südwesten, die Burgunder
Fortschrittspartei, Deutsche — Frankreich.
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443 den Südosten in Besitz, und im Norden
dehnten sich die Franken immer weiter aus. Ihr
König Chlodwig (481/511) aus dem Geschlecht
der Merowinger eroberte 486 den Rest des rö-
mischen Galliens, schlug die Westgoten und Ala-
mannen zurück und gründete hierdurch das Frän-
kische Reich, einen nach Bevölkerung und Ein-
richtungen vorwiegend germanischen und — seit
Chlodwigs Taufe 496 —cchristlichen Staat, der
die politische Entwicklung des Abendlandes fortan
bestimmte.
Die Reichsteilungen unter Chlodwigs Nach-
kommen, die Uneinigkeit und Degeneration des
Herrscherhauses und die Selbstsucht der Großen
führten im 6. und 7. Jahrh. eine traurige Periode
des Verfalls von Glaube, Sittlichkeit und Recht
herbei. Mit der Zeit schwangen sich die Haus-
meier von Austrasien zur ersten Macht im Staat
empor; Pippin der Mittlere stellte 687 die Reichs-
einheit wieder her, sein Enkel Pippin der Kleine
beseitigte das merowingische Schattenkönigtum und
gründete die Herrschaft der Karolinger (751
bis 987). Dieser und sein Sohn Karl der Große
(768/814) schlossen zugleich den engen Bund mit
dem Papsttum, der zur Gründung des Kirchen-
staates und zur Erneuerung des abendländischen
Kaisertums (800) führte. Das Reich umfaßte
jetzt auch Deutschland und Italien, wurde aber
unter Karls Enkeln geteilt. Karl der Kahle bekam
in den Verträgen von Verdun (843) und Meersen
(870) den bereits romanisierten, im wesentlichen
das heutige umfassenden Teil. Unter
seinen wurde der Lehns-
adel in und Hochburgund
und Aquitanien machte er sich ganz unabhängig.
Den Normannen, die das Reich plünderten, mußte
911 die Normandie abgetreten werden.
Als die Karolinger 987 ausstarben und Hugo
Capet, Herzog von Francien (Isle-de-France),
der mächtigste der Kronvasallen, sich zum König
krönen ließ, war das Reich zerrüttet und das
Königtum machtlos. Mit Hugo beginnt die lange
Reihe der Kapetinger, die in gerader Linie
bis 1328, in Seitenzweigen bis 1792 (bzw. 1848)
herrschten. Der Monarchie kam zugut, daß die
Dynastie ihre Erblichkeit durchsetzte und daß die
Begehrlichkeit und Fehdelust des Adels in den
Kreuzzügen einen Abzug nach außen fand. Auch
hatte sie eine Stütze an der Kirche, die das Fehde-
wesen durch den Gottesfrieden einschränkte, an
den Städten und dem niedern Volke, die am
König ihren natürlichen Bundesgenossen gegen
den Adel hatten. So erhob sich die Krone seit
Ludwig VI. (1108/37) an Macht und Geltung
über die Vasallen.
Eine große Gefahr drohte der französischen
Monarchie, seit (1154) das Haus Plantagenet
den englischen Thron bestiegen hatte. Durch den
Besitz der Normandie, des Anjou, Maine und
Touraine und der kürzlich angeheirateten Land-
schaften Poitou, Gascogne und Guyenne über-