Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Ausbau der absoluten Monarchie: der Klerus wurde 
durch das Konkordat von 1516, welches dem Kö- 
nig die Besetzung der Bistümer und Abteien 
überließ, von der Krone abhängig, der Adel büßte 
im Glanze des Hoflebens seine Selbständigkeit 
ein. Für wirkliche Reformen war Franz zu leicht- 
fertig. Seit ihm wurde die Maitressenwirtschaft 
dauernd. Auch die Begünstigung der Künste und 
Wissenschaften sollten doch nur dem Glanze des 
ofes dienen. — Sein Sohn Heinrich II. (1547/K 
bis 1559) setzte die antihabsburgische Politik fort 
und entriß dem deutschen Reich im Bunde mit 
protestantischen deutschen Fürsten 1552 die Stifter 
Metz, Toul und Verdun. Im Frieden von Cateau- 
Cambresis 1559 gewann er Calais, die letzte eng- 
lische Besitzung auf dem Festland. Im Innern 
wurden wie unter Franz I. die Kalvinisten (oder 
Hugenotten) schon wegen ihrer demokratischen Rich- 
tung verfolgt. Sie fanden Führer im Adel und 
selbst im Königshaus, bei den Bourbons (die da- 
mals das Königreich Navarra erheirateten) und 
Condés, schon aus Eifersucht gegen die Herzoge 
von Guise, die unter Franz II. (1559/60) die 
Herrschaft am Hofe gewannen. Acht furchtbare Hu- 
genottenkriege (seit 1562) erfüllten unter Karl IX. 
(1560/74) und Heinrich III. (1574/89), das 
unglückliche Land mit Greueln und Freveln. 
Mit Heinrich III. erlosch das Haus Valois, 
und die Sukzession des Hauses Bourbon-= 
Navarra versöhnte die Parteien, da Heinrich IV. 
(1589/1610) 1593 zur katholischen Kirche zurück- 
kehrte und durch das Toleranzedikt von Nantes 
(13. April 1598) den religiösen Frieden sicherte. 
Nachdem der kurz darauf mit Spanien geschlossene 
Vertrag zu Vervins auch den äußern Frieden 
hergestellt hatte, erholte sich das Land unter 
Sullys kluger Finanzwirtschaft und Gewerbe- 
politik überraschend schnell; aber kaum fühlte 
Frankreich seine innere Erstarkung, als es auch 
schon wieder an die Schwächung des habsbur- 
gischen Hauses dachte. Da wurde Heinrich am 
14. Mai 1610 ermordet. Sein unmündiger, 
schwacher Sohn Ludwig XlII. (1610/43), 
für den bis 1617 seine Mutter Maria von Me- 
dici die Regentschaft führte, hätte den Verfall des 
väterlichen Werkes nicht hindern können, wenn er 
nicht (1624) in (dem nachmaligen Kardinal) Ri- 
chelien einen Minister gefunden hätte, der es ver- 
stand, mit ebenso großer Klugheit wie rücksichts- 
loser Härte eine unbeschränkte Allgewalt der Krone 
zu begründen. In drei Kriegen vernichtete er die 
politische Sonderstellung der Hugenotten, beugte 
mit starker, grausamer Hand den Adel und machte 
die Parlamente zu gefügigen Werkzeugen; die 
Reichsstände wurden seit 1614 bis 1789 über- 
haupt nicht mehr berufen. Richelien schuf den 
zentralisierten Beamtenstaat; in den Provinzen 
schalteten die bürgerlichen, mit polizeilicher, ge- 
richtlicher und finanzieller Oberaufsicht ausge- 
statteten Intendanten, von jeder Verantwortung 
außer der gegen den leitenden Minister befreit. 
  
Frankreich. 
  
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Aus seiner Zeit stammt die geheime Polizei nebst 
den berüchtigten lettres de cachet. Die so ge- 
einten und zur Verfügung der Krone gestellten 
Kräfte des Landes wurden nun dazu verwendet, 
das Ubergewicht des Hauses Habsburg zu brechen 
und Frankreich zur herrschenden Macht in Europa 
zu erheben. Daher begünstigte der Kardinal die 
deutschen Protestanten, beteiligte sich seit 1635 als 
Bundesgenosse Schwedens am Dreißigjährigen 
riege und war überall, wo es galt, Osterreich 
und Spanien zu schädigen, mit Intrigen oder 
mit Geld und Truppen zur Hand. 
Beinahe zu derselben Zeit fanden Richelien in 
Kardinal Mazarin und der König in seinem vier- 
jährigen Sohn Ludwig XIV. (1643/1715) 
Nachfolger. Mit der Niederlage der Fronde (1653) 
war die Macht der Parlamente und des Adels voll- 
ends gebrochen. Als Mazarin am 9. März 1661 
starb, übernahm der 22jährige König selbst die 
Leitung der innern und äußern Politik. Nicht 
ohne Sinn für Fürstengröße und Ruhm, unter- 
stützt von hervorragenden Ministern (Colbert, 
Louvois) und Feldherren (Turenne, Condé, Luxem- 
bourg, Vauban), vermochte er die angestrebte 
Diktatur Frankreichs in Europa zu erringen. Die 
kluge Finanzpolitik Colberts (1661/83) förderte 
trotz mancher Mißgriffe (Merkantilsystem) Handel 
und Industrie und schuf die Mittel für den Glanz 
des Hofes, die Gründung einer Kriegsflotte und 
den Unterhalt der mächtigen Landheere, mit denen 
Ludwig seine brutale Eroberungspolitik durchsetzte. 
Die Friedensschlüsse von 1648 und 1659 brach- 
ten den größten Teil des Elsaß, Roussillon und 
Artois, die Raubkriege und Reunionen weiteren 
Gewinn an der Nord= und Ostgrenze an Frank- 
reich. Auch im Innern sollte jede Selbständig- 
keit unterdrückt werden; daher wurden 1682 die 
vier Gallikanischen Artikel erlassen, die die staat- 
liche Gewalt gegenüber der päpstlichen erhöhten, 
und 1685 die Hugenotten ausgewiesen. Der 
Bankrott dieses Systems wurde im Spanischen 
Erbfolgekrieg offenbar (1701/13): Frankreichs 
Übergewicht in Europa war gebrochen, Schulden- 
last, Verarmung, Druck und Unzufriedenheit 
furchtbar gestiegen. Die Regentschaft des sitten- 
losen Herzogs Philipp von Orléans (1715/23) 
für Ludwigs Urenkel Ludwig XV. (1715/74) 
führte den Staat dem Abgrund näher, während 
die schwindelhaften Geldunternehmungen Laws 
(1716/20) den Kredit der Regierung und den 
erschütterten Nationalwohlstand vollends unter- 
gruben. Die Wirkungen von Fleurys weiser Ver- 
waltung (1726/43) wurden durch die ruhmlose 
Beteiligung am Osterreichischen Erbfolge= (1740 
bis 1748) und später am Siebenjährigen Kriege, 
durch die Maitressenwirtschaft und tolle Ver- 
schwendung des Hofes und den Verfall in allen 
Zweigen der Staatsverwaltung bald wieder auf- 
gehoben. Zwar wurde 1737 Lothringen, 1768 
Korsika gewonnen, doch gingen dafür 1763 die 
Besitzungen in Nordamerika an England verloren.
	        
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