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mung annehmen, so tritt für die Diesseitsbestim-
mung die Unterschiedlichkeit der Geschlechter in den
Vordergrund. Gott hat in Mann und Weib je
eine besondere Schöpferidee verkörpert und jedem
Geschlechte eine spezifische Aufgabe zuerteilt. Der
männlichste Mann und das weiblichste Weib
stellen diese Ideen am reinsten dar. Mann und
Weib sind verschieden, um sich zu ergänzen, um
durch Gemeinschaft Vollendung in der Erfüllung
irdischer Aufgaben zu suchen. Sie sind verschieden
geartete, aber gleichwertige Glieder der großen
Organismen Kirche, Familie, Gemeinde, Staat,
mithin auch verschieden im Begriffe der Voll-
kommenheit irdischen Tuns. Weil dem so ist, weil
jedes Geschlecht in der Schöpferidee, die es ver-
körpert, sein Maß und seine Wertbestimmung fin-
det, ist es nicht nur ein unfruchtbares, sondern
auch ein gefährliches Beginnen, die Geschlechter
aneinander normativ messen zu wollen, statt sich
zu begnügen, sie vergleichend zu unterscheiden. Die
Annahme, daß eines der Geschlechter den absoluten
Menschentypus darstelle, müßte gerade bei den
strebsamsten Individuen des andern Geschlechts
die Folge zeitigen, daß man eben diesem vollkom-
menen Typus kritiklos, d. h. unter Verkennung
der eigenen Bestimmung, fehlsam nacheifert. Mit-
hin würde — je nachdem — Verweiblichung der
Männer oder Vermännerung der Weiber begünstigt
werden. So müßte die Annahme, daß der Mann
den absoluten Menschentypus, das eigentliche
Ebenbild Gottes, darstelle, das Weib dahin führen,
durch möglichste Abstreifung der Weiblichkeit Voll-
kommenheit zu erwerben und zu vererben. Diese
falsche Emanzipation, die von vornherein durch
Trachten nach unmöglicher Gleichheit (Gleich-
artigkeit) auf den toten Strang fährt, wird tat-
sächlich durch die Ansicht begünstigt, daß der Mann
der absolute Maßstab sei, Abweichung von diesem
Maßstabe also Unvollkommenheit bedeute. Diese
Ansicht sollte billigerweise schon durch den einen
Umstand erschüttert werden, daß es der allmäch-
tige Schöpferwille gewesen ist, der beide Geschlechter
nach seinem Bilde geschaffen, aber verschieden ge-
wollt und sie zu ihren spezifischen Aufgaben auch
verschieden ausgerüstet hat. Die physische Be-
schaffenheit des Mannes macht ihn zum Kampf
und zum Erwerb tüchtig, legt ihm den Schutz und
die Versorgung der Familie, deren Haupt er ist,
auf. Die Naturalleistung des Weibes ist die
Mutterschaft. Die christliche Kultur hat die natür-
liche Ritterschaft des Mannes zur Ritterlichkeit
verklärt, das Weib von der Mutterschaft zur
Mütterlichkeit, als der feinsten Blüte weiblichen
Empfindens, geführt — nicht in dem Sinne, als ob
die Mütterlichkeit an einen physiologischen Vor-
gang geknüpft wäre. Die christliche Kirche an-
erkennt, pflegt, erzieht Empfinden und Willen als
Mächte, die die Physis beherrschen sollen. Ist die
physische Geschlechtsbeschaffenheit ein Fingerzeig,
so ist die Gesinnung doch nicht von der Erfüllung
der Geschlechtsaufgaben abhängig. Auch ohne die
Frauenfrage usw.
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Mutterschaft in natura kann das Weib im höch-
sten Sinne weiblich (im Sinne von mütterlich)
sein. Die Liebe der „Barmherzigen Schwester“,
die mütterliche Geduld mancher Lehrerin sind
sichtbare Beweise. Es ist ein Verdienst der katho-
lischen Kirche, daß sie an der Unabhängigkeit der
Gesinnung von der Physis unentwegt festgehalten
hat. Dadurch hat sie auch für das irdische Dasein
dem Weibe wahre Freiheit und Selbstbestimmung
gewährt. Denn wäre die Gesinnung vom physio-
logischen Vorgange abhängig, so könnte das Weib
nicht ohne die Möterschaff in natura zur höchsten
Entfaltung der Weiblichkeit, der Mütterlichkeit,
gelangen. Da nun diese Naturalleistung ohne den
Mann unmöglich ist, der Mann aber naturgemäß
der freiende Teil ist, so würde die Vollkommenheit
des Weibes davon abhängig sein, ob es einem
Manne gefällt. Damit wäre das weibliche Ge-
schlecht dem männlichen ausgeliefert, männliches
Wohlgefallen oder Mißfallen wäre sein Schicksal.
Hier rühren wir an den Kernpunkt der ganzen
Frauenfrage. Kann das Weib nur durch den
Mann zur Vollendung gelangen, steht ihm nur
dieser eine Weg offen, so ist es dem Manne aus-
geliefert, hat nur Sinn, Wert, Bedeutung durch
den Mann. Dann hat jede unverheiratete Frau
ihren Daseinszweck verfehlt. Dann kann man
logischerweise aber auch nicht von Gleichwertigkeit
der Geschlechter sprechen. Dann ist das Weib keine
selbständige Berufsträgerin, keine sittliche Per-
sönlichkeit. Wie nun die katholische Kirche an der
Unabhängigkeit der Psyche vom physiologischen
Vorgang festgehalten hat, so hat sie folgerichtig
auch dem Weibe nie die Möglichkeit aberkannt, in
Jungfräulichkeit irdische Vollkommenheit zu er-
reichen (Ordensleben). Die katholische Kirche hat
daran festgehalten, daß das Weib nicht nur für
den Mann da ist, daß es auch ohne Geschlechts-
leben ein vollwertiger Mensch sein kann. Damit
hat die Kirche in wahrhaft gotterleuchteter Ge-
rechtigkeit und Weisheit in diesem zentralen, sprin-
genden Punkte sich auf die Seite des schwachen
Geschlechts gestellt. Die Wertschätzung der Jung-
fräulichkeit ist die wahre Emanzipation des Weibes
im buchstäblichen Sinne. Mit dieser Tatsache steht
wohl die andere in kausalem Zusammenhange, daß
das weibliche Geschlecht, nach Zeugnissen bekannter
Autoritäten, kirchlicher ist als das männliche. Da
wo keine klare Vorstellung zu erwarten ist von
dem, was das weibliche Geschlecht der katholischen
Kirche verdankt, ist das Weib (von alters her
„ahnungsreich“ genannt), „im dunkeln Drange
sich des rechten Weges wohl bewußt".
Mit der Einsicht, daß die spezifische Naturauf-
gabe des Weibes in der Familie liegt, daß Mütter-
lichkeit das Ziel seiner Entwicklung ist, haben wir
einen Standpunkt gewonnen, von dem aus wir
zu den einzelnen Fragen und Forderungen der
Bewegung Stellung nehmen können, etwa nach
der Formel: Was weder direkt noch indirekt gegen
die (gottgesetzte) Naturaufgabe des Weibes ver-
10“