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Mensch. — über die Frauenbewegung im
Auslande siehe Handbuch von Lange-Bäumer
Lu. III. Gnauck-Kühne.)
Freihafen. [Begriff, Entstehung, Vorteile
und Nachteile. Aufhebung: Batum, Hamburg,
Bremen,Triest, Fiume. Errichtung von Freihäfen.)
Ein Freihafen ist ein Hafen oder ein Seeplatz,
welcher den Schiffen aller Nationen freien Ver-
kehr und den ein= und ausgeführten Waren Zoll-
freiheit gewährt oder von Schiffen und Waren
nur sehr mäßige Abgaben einhebt, welche nie-
mals die Bedeutung und Höhe wirklicher Zölle
haben. Er ist gleichsam ausländisches, zollfreies
Gebiet des eigenen Staates, er bildet eine beson-
dere Art von offenem Hafen im Gegensatz zum
geschlossenen. Bei den zu Freihäfen erklärten
Seeplätzen bildet entweder das ganze Emporium
oder nur der Hafenplatz zollfreies Gebiet. Harter
Kämpfe in Theorie und Praxis hat es bedurft,
bis der Grundsatz, daß das Meer frei und keiner
ausschließlichen Herrschaft unterworfen sei, allge-
meine Anerkennung gefunden hat. Die Bewegung
des Handels und Verkehrs zur See war in der
Folge freier, vor Hemmnissen gesicherter gewor-
den; die Seefahrt galt nicht mehr als ein erst
zu erweisendes subjektives Recht der Staaten, son-
dern war als eine natürliche Gerechtsame aller
Staaten, als mera facultas, unter Vorbehalt
der sog. Eigentums= und Küstenmeere außer
Frage gestellt. Allein um so eifersüchtiger über-
wachten fortan die Seemächte die Zufuhr zu ihren
Küsten, den Handel in ihren Eigentumsgewässern
und die Gewinnung der Meeresprodukte in Buchten
und Baien. Sie erschwerten unter der Herrschaft
des prohibitiven und protektionistischen Handels-
systems durch hohe Zollforderungen und Handels-
verbote in einer Maß und Billigkeit überschreiten-
den Weise den Durchfuhrhandel wie den Ubergang
vom Seehandel zum Landhandel und umgekehrt.
Aus dieser schwierigen, unsichern Lage suchte
die Handelswelt der Seestädte einen Ausweg zu
finden, indem sie die Errichtung von neutralen,
den politischen Reibungen und Wechtselfällen ent-
rückten Handelsfreistätten begehrte und begünstigte.
So entstanden Freilager, privilegierte Waren-
niederlagen (entrepôts) und Freihafenplätze, in
denen die Handelsware, ohne vorläufig verzollt zu
werden, in öffentlichen, unter behördliche Auf-
sicht gestellten Magazinen so lange zur Verfügung
der Konsumenten gehalten wurde, bis sie die Frei-
handelszone überschritt, um erst dann der Zoll-
behandlung unterzogen zu werden. Durch diese
Übertragung des Grundsatzes der Meeresfreiheit
auf gewisse See-Emporien war der Zwischenhandel
unter den einzelnen Freihafenplätzen der Besteue-
rung, insbesondere den empfindlichen Retorsions=
zöllen entrückt. Eine natürliche Folge hiervon war
einerseits die Zunahme solcher Niederlagen in
England und Amerika und von Freihäfen an den
Küsten von Italien, Frankreich, Spanien, Por-
tugal, Osterreich, Norddeutschland, an der untern
Freihafen.
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Donau usw. und anderseits die Erweiterung der
Freihafenanlagen landeinwärts, der sog. Zollaus-
schlußgebiete.
Die Vorteile dieser besondern Art von privi-
legierten offenen Häfen — im Unterschiede von
den geschlossenen Kriegshäfen — waren nicht ge-
ringe. Infolge der Handelsvorrechte und Zoll-
befreiungen entwickelten sich die meisten derselben
zum eigenen Nutzen und zum Vorteile des un-
mittelbaren Hinterlandes zu blühenden Welt-
handelsstädten, boten dem Zwischenhandel ein
weites Feld und wurden meistenteils auch die
Auslauf= oder Kopfstationen für den interozeani-
schen Verkehr. Jedoch hatte die zunehmende Aus-
dehnung der Freihafengebiete auch unverkennbare
Nachteile, so jenen einer unverhältnismäßig dich-
ten Bevölkerung, der Erschwerung des Abschlusses
von Zoll= und Handelsbündnissen, der kostspieligen
Vorkehrung zur Hintanhaltung von Unterschleifen
und schleichhändlerischen Unternehmungen u. dgl.
Auch geriet mit der Vervollständigung der Eisen-
bahnnetze dieses System der Abschließung in vielen
und wichtigen Punkten mit der binnenländischen
Handelspolitik in Gegensatz. Das Freihafengebiet
entfremdet sich der inländischen Industrie. Diese
hat im externen Bereiche die Konkurrenz mit frem-
den Erzeugnissen zu bestehen, der sie nicht immer
gewachsen ist. Die so wünschenswerte Wechsel-
wirkung zwischen der Seeküste und dem Binnen-
lande erleidet empfindliche Störungen; auch läßt
der verhältnismäßig beengte, von einer zahlreichen
auswärtigen Handelswelt besiedelte Raum für die
Entwicklung der einheimischen Industrie so gut
wie keinen Platz übrig. Ein Seeplatz soll aber,
um seiner Aufgabe gerecht zu werden, neben der
Pflege des überseeischen Handelsverkehrs auch
Unternehmungen besitzen, die sich für die Lage am
Meere besonders eignen sowohl durch ihr Absatz-
gebiet wie durch die Natur ihrer Fabrikate und
durch die Beschaffenheit der vorzunehmenden Ar-
beiten. Endlich kann der für die ökonomische, poli-
tische und militärische Verwaltung wichtige Grund-
satz, daß sich das Besondere, ungeachtet der Pflege
seiner Eigenart, niemals der Einheit des Systems
gänzlich entziehen soll, wegen der bestehenden
Ausnahmeverhältnisse nicht zur Verwirklichung ge-
langen.
Diese und ähnliche Gründe sind es, welche zur
Einbeziehung der alten Freihafengebiete in den
einheitlichen Zollverband geführt haben. Jedoch
sollen die unleugbaren Vorteile der Freihäfen,
daß nämlich der Warenverkehr der Zollbande ent-
ledigt ist, daß dort die Löhne niedriger sind, weil
sich die Bevölkerung manche Nahrungemittel billiger
verschaffen kann, daß die städtische Verzehrungs-
steuer in der Regel nicht besteht, durch zweckmäßige
Einrichtungen nicht ganz verloren gehen. Es wird
bei Neugestaltung der Dinge dem Handel Ersatz ge-
boten durch Erweiterung der Hafenanlagen, durch
Schaffung von punti franchi und Niederlags-
plätzen außerhalb derselben; es werden Magazine