Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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unter zollamtlichem Verschluß für vorläufig zoll- 
freie Hinterlegung aller Waren und außerdem für 
eine Reihe wichtiger Artikel ein neuer Typus von 
Lagerhäusern ohne amtliche Mitsperre gegen buch- 
mäßige Kontrolle und Sicherstellung vertrauens- 
würdiger Firmen (Kontierungsmagazine) zuge- 
standen. 
Ferner verfolgt die Gewährung differentieller 
Zollfreiheit für gewisse Rohstoffe, welche zur See 
eingeführt werden, den Zweck, die Begründung 
und Entfaltung neuer einheimischer Industrie- 
zweige in den ehemaligen Freihafengebieten zu er- 
muntern. Ein Ersatz für die Aufhebung der Frei- 
häfen wird auch dadurch geboten, daß man für 
neue Bahnverbindungen mitbilligen Tarifen Sorge 
trägt, um dem Handel der alten See-Emporien 
trotz ihrer Einverleibung in das allgemeine Zoll- 
gebiet für alle Waren freie Bewegung mit dem 
Binnmenlande zu sichern. 
Die Errichtung und Aufhebung von Freihäfen 
und Zollausschlüssen erfolgt entweder auf Grund 
von völkerrechtlichen Verträgen oder ohne diese, 
immer aber im Wege der staatlichen Gesetzgebung 
bzw. von administrativen Verfügungen. Die Frei- 
hafenstellung von Batum (Art. 59 des Berliner 
Vertrages vom 13. Juli 1878) ist im Juli 1886 
durch einseitige Verfügung Rußlands wieder auf- 
gehoben und Batum in einen Kriegshafen ver- 
wandelt worden. Die Vereinigung des Gebietes 
von Batum mit dem russischen Reiche und die Zu- 
erkennung der Rechte eines Freihafens an Batum 
war vom Berliner Kongreß im Interesse Ruß- 
lands beschlossen worden. Da sich indessen die 
Verkehrsverhältnisse im Kaukasusgebiete in vielem 
geändert hatten, hob Rußland die Verfügung be- 
treffend den Freihafen wieder auf, mit der nichts 
weniger als einwandfreien Motivierung, bei Ver- 
zichtleistung auf ein Zugeständnis bedürfe es der 
Zustimmung der Signatarmächte nicht. 
In Deutschland waren Lübeck, Hamburg und 
Bremen die bedeutendsten Freihafengebiete. Lübeck 
gab die Freihafenstellung schon 1868 freiwillig 
auf. Der Anschluß Hamburgs an die Zollge- 
meinschaft erfolgte zufolge eines schon früher ge- 
faßten Beschlusses (1881/82 im Okt. 1888 nach 
Abtrennung eines genügend großen, 1898 noch 
erweiterten Freihafengebietes. In ähnlicher Weise 
wurden die Verhältnisse in Bremen geregelt. 
Das noch verbleibende Freihafengebiet steht wie 
das hamburgische unter dem Schutze des Art. 34 
der Reichsverfassung als Reservatrecht. Freibezirke 
wurden auch 1898 in Stettin und 1899 in Neu- 
fahrwasser bei Danzig eingerichtet. 
Am 1. Juli 1891 wurde die Aufhebung des 
Triester Freihafens ins Werk gesetzt, nachdem 
bereits in dem Gesetze betreffend die Verlängerung 
des Zoll= und Handelsbündnisses mit Ungarn 
vom 21. Mai 1887 bestimmt worden war, daß 
die Einbeziehung der Freihafengebiete Triest und 
Fiume längstens bis 31. Dez. 1889 erfolgen 
sollte. Die Inangriffnahme großer Bauwerke — 
Freihandel — Freiheit. 
  
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Hafenbauten, Lagerhäuser, Hebevorrichtungen — 
haben jedoch die Verlegung des Termines zur 
Folge gehabt. Fast gleichzeitig wurden seitens der 
ungarischen Regierung die Einbeziehung Fiumes 
in das österreichisch-ungarische Zollgebiet im Wege 
der Gesetzgebung durchgeführt. 
Während man in Europa mit dem alten Sy- 
stem der Freihäfen aufräumt, zeigt sich in den 
Kolonien, besonders in den afrikanischen, die Ge- 
neigtheit, Freihafenplätze zu errichten. Da in 
den Schutzgebieten die meisten Seeplätze noch ohne 
Verbindung mit dem Hinterlande sind, ist dieses 
Mittel, den Verkehr auf einen Punkt zu lenken, 
seitens der Kolonialpolitik nicht von der Hand zu 
weisen. So wurde zu Beginn 1892 Sansibar 
Freihafen, und auch die italienische Regierung be- 
absichtigt, Massaua zum Freihafen zu erklären. 
Ein Freihafen von hohem Range ist in Europa 
Gibraltar, außerhalb Europas sind Aden, Singa- 
pur, Hongkong, Kiautschou Freihäfen. 
Seit dem Vertrag zwischen England und China, 
welcher den sog. Opiumkrieg 1840/42 beendete, 
und auf Grund des Vertrages von Tientsin 1858 
nach dem Taipingaufruhre, gelten die Traktat- 
häfen (Treaty Ports), mehr als zwanzig große 
Häfen, eine Anzahl minder bedeutender Punkte 
nicht mitgerechnet, als offene, für den fremden 
Handel freigegebene Plätze. Durch den Vertrag 
von Tschifu wurden neuerdings einige Häfen dem 
Verkehre eröffnet. In der Mandschurei gibt es 
bloß zwei Vertragshäfen, Niutschwang und Ta- 
lienwan. Aber auch diese sind als offene Häfen 
zu behandeln, was auch Rußland ausdrücklich er- 
klärt hat. 
Literatur. Näheres über Freihäfen enthalten 
die Seerechts-Kompendien: Kaltenborn, Grundsätze 
des prakt. europ. Seerechts I (1851); Perels, Das 
internat. öffentl. Seerecht der Gegenwart (21903); 
ders., Handbuch des Seerechts im Deutschen Reiche 
(1884). Ferner Ehrenberg, Art. „F.“ im Hand- 
wörterbuch der Staatswissenschaften III (21900). 
Geschichtliches Material findet man bei Dorn, Die 
Seehäfen des Weltverkehrs (1891/92). Abhand- 
lungen: Rad, Sind Freihäfen noch zeitgemäß? 
(1863); Barth, Die handelspolitische Stellung der 
deutschen Seestädte (1880); Marcus, Die Seehäfen 
im heutigen Weltverkehr (1886); Duthoya, Villes 
franches, ports francs et entrepöts de douane 
Par. 1899). LLentner.] 
Freihandel s. Handel und Handelspolitik. 
Freiheit. [Doppelte Bedeutung des Na- 
mens; Wesen und Wert der menschlichen Freiheit; 
Geschichtliches. Die rechtliche Freiheit des Indi- 
viduums und ihre Grenzen. Religionsfreiheit.) 
1. Mit dem Namen der Freiheit ist im Leben 
der Völker und Staaten zu allen Zeiten ein Dop- 
peltes bezeichnet worden: die Unabhängig- 
keit des Individuums von autoritativer, durch 
Zwangsmittel gestützter Reglung seines eigensten 
Lebens, und die Teilnahme der Bürger an der 
Ordnung und Leitung des Gemeinwesens. Dort 
also bedeutet sie die Autonomie des einzelnen, der 
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