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sierten Staaten die Regel. Dieser Maxime wider-
spricht nicht die Zulässigkeit, den Massenzuzug von
Fremden, vorab wenn ihr Auftreten eine Gefahr
für die Sicherheit und Ordnung nach sich ziehen
könnte, zurückzuweisen und Beschränkungen gegen
die Einwanderung von bedenklichen oder anstößigen
Personen zu verfügen.]
Jeder Staat ist auch berechtigt, Staatsfremde,
die sich bereits auf seinem Gebiete aufhalten, aus-
zuweisen aus jenen Gründen, aus denen er ihnen
den Eintritt nicht gestattet oder ein Asyl nicht ge-
währt haben würde. Dieses Recht stellt sich als
Ausfluß der staatlichen Souveränität dar und hat
auch in den Gesetzgebungen der meisten Staaten
klaren Ausdruck gefunden. Allerdings darf dies
nicht in solcher Weise Hehandhabt werden, daß
gewissermaßen ganze Kategorien und Klassen der
Bevölkerung eines fremden Staates als solche von
der Niederlassung schlechtweg ausgeschlossen oder
gegen dieselben das Ausweisungsverfahren ver-
anlaßt würde, zumal eine nicht mit schonender
Rücksichtnahme gehandhabte Fremdenpolitik zu
Retorsionsmaßregeln Anlaß bieten könnte.
Die Erschließung des Landes bedeutet grund-
sätzlich auch Zulassung der Handelsschiffe sämt-
licher anerkannten Flaggen in allen Seehäfen unter
Beobachtung der Hafenpolizeiordnung. Es bleibt
jedoch jedem Staate vorbehalten, bestimmte Häfen,
insbesondere Kriegshäfen, von der allgemeinen Er-
öffnung auszunehmen, so daß nur im Falle der
Seenot die Einfahrt in dieselben statthaft ist.
Fremden Truppenkörpern wird der Durchzug durch
das Staatsgebiet nur über Ansuchen gestattet, wo-
fern nicht diese Angelegenheit auf Grund einer
Servitut (Heerstraßenrecht) geregelt ist. Fremde
Staatsschiffe bedürfen für den Aufenthalt in den
nationalen Gewässern und den Häfen eines frem-
den Staates besonderer Erlaubnis.
Im Kriegsfalle erfährt das Fremdenrecht ganz
erhebliche Einschränkungen, geboten durch das
Kriegsziel, den Kampf zum Sieg zu führen. —
Besondere Vorschriften hat England. Dort sind
Spezialgesetze (alien bills) erforderlich, welche der
Regierung das Recht erteilen, Fremden den Auf-
enthalt zu verweigern oder sie auszuweisen. —
lber die zur Sicherstellung der Fremden abge-
schlossenen Niederlassungs-, Naturalisations-,
Konsular= usw. Verträge s. Staatsverträge und
zur ganzen Materie d. Art. Staatsangehörigkeit.
Literatur. Altere: Brunnemann, De iure
peregrinorum (Frankf. a. O. 1662); Pütter, Das
praktische europ. F. (1845). Lehrbücher: Heffter-
Geffcken, Das europ. Völkerrecht der Gegenwart
(61888) §8 62ff; v. Ullmann, Völkerrecht (21908)
& 115; Gareis, Institut. des Völkerrechts (21901)
§ 57; Rivier, Lehrb. d. Völkerrechts (1889); ders.,
Principes du droit des gens (Par. 1896); Stoerk
in v. Holtzendorffs Handbuch d. Völkerrechts II u. im
Handwörterb. d. Staatswissenschaften II1 (21900).
Ferner die reichhaltige Lit. über internat. Privat-,
Straf., Handelsrecht, darunter Jettel, Handbuch
des internat. Privat= u. Strafrechts (1892); v. Bar,
Friede.
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Lehrb. des internat. Privat- u. Strafrechts (1892);
Zitelmann, Internat. Privatrecht 1 u. II (1897/98).
Abhandlungen: Pappafava, Über die bürgerl.
Rechtsstellung der Fremden (Pola 1884); Bes de
Bere, De T’expulsion des étrangers (Par. 1888);
Feraud-Giraud, Droit d'expulsion (ebd. 1895);
Langhard, Das Recht der Fremdenausweisung mit
bes. Berücksichtigung der Schweiz (1891); Leske u.
Löwenfeld, Die Rechtsverfolgung im internat. Ver-
kehr (1895); Mayr, F. in Annalen des Deutschen
Reiches (1896). [(Lentner.]
Friede. L[Der Friednsschluß. Die Frie-
densunterhandlungen. Förm und Inhalt des
Friedensvertrages. Wirkungen des Friedens-
schlusses. Die denkwürdigsten Friedensschlüsse der
Neuzeit.]
1. Das Ende des Kriegszustandes wird durch
den Frieden festgestellt. Der Friede soll die krieg-
führenden Parteien wieder in das Verhältnis des
Zusammenlebens befreundeter Staaten zurückfüh-
ren. In der Regel wird dieses Verhältnis nicht
das gleiche sein können, wie es vor Ausbruch der
Feindseligkeiten war. Militärisch ist die eine Par-
tei als siegreiche, die andere als unterlegene aus
dem Kampfe hervorgegangen. Diese muß Vor-
teile opfern, welche sie vor dem Kriege besaß, um
den Frieden zu erkaufen; jene wird Ansprüche er-
heben, welche sie in Zukunft vor Gefährdungen
und Angriffen sicherstellen sollen. Der Unterlegene
will so wenig opfern als möglich, der Überlegene
so viel verlangen, als erreichbar ist.
Mit diesen Absichten treten die Kriegsparteien
in die Friedensverhandlungen ein. Von den Fällen,
daß die Streitteile, beiderseits erschöpft und kriegs-
müde, von den Feindseligkeiten ohne weiteres ab-
stehen, oder daß die Niederlage des einen Krieg-
führenden eine derart entscheidende ist (debellatio,
ultima victoria), daß er aufhört, ein selbstän-
diger Staat zu sein, kann hier um so eher ab-
gesehen werden, als diese Form der Beendigung
eines Krieges ohne Friedensschluß unter den Ge-
sichtspunkten der Eroberung bzw. Usurpation ihre
Erledigung findet.
Die Friedensunterhandlungen führen zur Auf-
stellung von Friedensbedingungen, welche nun-
mehr der militärischen wie diplomatischen Ab-
wägung unterzogen werden, sei es zwischen den
Kriegsparteien unmittelbar oder durch Vermitt-
lung einer oder mehrerer der neutralen Mächte,
welche in dem geeigneten Zeitpunkte ihre „guten
Dienste“ anbieten.
2. In der Regel folgt den ersten Kundgebungen
der Friedensgeneigtheit der Abschluß eines kurzen
Waffenstillstandes behufs Feststellung der Frie-
denspräliminarien. Unterstützt die Kriegslage die
dem Frieden zuneigende Kriegspolitik, so wird der
Abschluß eines allgemeinen Waffenstillstandes
folgen. Er ist charakterisiert durch die definitive
Einstellung der Feindseligkeiten einerseits und die
provisorische Anbahnung der Friedensordnung
anderseits (s. d. Art. Waffenstillstand). Zu den
Verhandlungen über den definitiven Frieden tritt