Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

337 
sierten Staaten die Regel. Dieser Maxime wider- 
spricht nicht die Zulässigkeit, den Massenzuzug von 
Fremden, vorab wenn ihr Auftreten eine Gefahr 
für die Sicherheit und Ordnung nach sich ziehen 
könnte, zurückzuweisen und Beschränkungen gegen 
die Einwanderung von bedenklichen oder anstößigen 
Personen zu verfügen.] 
Jeder Staat ist auch berechtigt, Staatsfremde, 
die sich bereits auf seinem Gebiete aufhalten, aus- 
zuweisen aus jenen Gründen, aus denen er ihnen 
den Eintritt nicht gestattet oder ein Asyl nicht ge- 
währt haben würde. Dieses Recht stellt sich als 
Ausfluß der staatlichen Souveränität dar und hat 
auch in den Gesetzgebungen der meisten Staaten 
klaren Ausdruck gefunden. Allerdings darf dies 
nicht in solcher Weise Hehandhabt werden, daß 
gewissermaßen ganze Kategorien und Klassen der 
Bevölkerung eines fremden Staates als solche von 
der Niederlassung schlechtweg ausgeschlossen oder 
gegen dieselben das Ausweisungsverfahren ver- 
anlaßt würde, zumal eine nicht mit schonender 
Rücksichtnahme gehandhabte Fremdenpolitik zu 
Retorsionsmaßregeln Anlaß bieten könnte. 
Die Erschließung des Landes bedeutet grund- 
sätzlich auch Zulassung der Handelsschiffe sämt- 
licher anerkannten Flaggen in allen Seehäfen unter 
Beobachtung der Hafenpolizeiordnung. Es bleibt 
jedoch jedem Staate vorbehalten, bestimmte Häfen, 
insbesondere Kriegshäfen, von der allgemeinen Er- 
öffnung auszunehmen, so daß nur im Falle der 
Seenot die Einfahrt in dieselben statthaft ist. 
Fremden Truppenkörpern wird der Durchzug durch 
das Staatsgebiet nur über Ansuchen gestattet, wo- 
fern nicht diese Angelegenheit auf Grund einer 
Servitut (Heerstraßenrecht) geregelt ist. Fremde 
Staatsschiffe bedürfen für den Aufenthalt in den 
nationalen Gewässern und den Häfen eines frem- 
den Staates besonderer Erlaubnis. 
Im Kriegsfalle erfährt das Fremdenrecht ganz 
erhebliche Einschränkungen, geboten durch das 
Kriegsziel, den Kampf zum Sieg zu führen. — 
Besondere Vorschriften hat England. Dort sind 
Spezialgesetze (alien bills) erforderlich, welche der 
Regierung das Recht erteilen, Fremden den Auf- 
enthalt zu verweigern oder sie auszuweisen. — 
lber die zur Sicherstellung der Fremden abge- 
schlossenen Niederlassungs-, Naturalisations-, 
Konsular= usw. Verträge s. Staatsverträge und 
zur ganzen Materie d. Art. Staatsangehörigkeit. 
Literatur. Altere: Brunnemann, De iure 
peregrinorum (Frankf. a. O. 1662); Pütter, Das 
praktische europ. F. (1845). Lehrbücher: Heffter- 
Geffcken, Das europ. Völkerrecht der Gegenwart 
(61888) §8 62ff; v. Ullmann, Völkerrecht (21908) 
& 115; Gareis, Institut. des Völkerrechts (21901) 
§ 57; Rivier, Lehrb. d. Völkerrechts (1889); ders., 
Principes du droit des gens (Par. 1896); Stoerk 
in v. Holtzendorffs Handbuch d. Völkerrechts II u. im 
Handwörterb. d. Staatswissenschaften II1 (21900). 
Ferner die reichhaltige Lit. über internat. Privat-, 
Straf., Handelsrecht, darunter Jettel, Handbuch 
des internat. Privat= u. Strafrechts (1892); v. Bar, 
Friede. 
  
338 
Lehrb. des internat. Privat- u. Strafrechts (1892); 
Zitelmann, Internat. Privatrecht 1 u. II (1897/98). 
Abhandlungen: Pappafava, Über die bürgerl. 
Rechtsstellung der Fremden (Pola 1884); Bes de 
Bere, De T’expulsion des étrangers (Par. 1888); 
Feraud-Giraud, Droit d'expulsion (ebd. 1895); 
Langhard, Das Recht der Fremdenausweisung mit 
bes. Berücksichtigung der Schweiz (1891); Leske u. 
Löwenfeld, Die Rechtsverfolgung im internat. Ver- 
kehr (1895); Mayr, F. in Annalen des Deutschen 
Reiches (1896). [(Lentner.] 
Friede. L[Der Friednsschluß. Die Frie- 
densunterhandlungen. Förm und Inhalt des 
Friedensvertrages. Wirkungen des Friedens- 
schlusses. Die denkwürdigsten Friedensschlüsse der 
Neuzeit.] 
1. Das Ende des Kriegszustandes wird durch 
den Frieden festgestellt. Der Friede soll die krieg- 
führenden Parteien wieder in das Verhältnis des 
Zusammenlebens befreundeter Staaten zurückfüh- 
ren. In der Regel wird dieses Verhältnis nicht 
das gleiche sein können, wie es vor Ausbruch der 
Feindseligkeiten war. Militärisch ist die eine Par- 
tei als siegreiche, die andere als unterlegene aus 
dem Kampfe hervorgegangen. Diese muß Vor- 
teile opfern, welche sie vor dem Kriege besaß, um 
den Frieden zu erkaufen; jene wird Ansprüche er- 
heben, welche sie in Zukunft vor Gefährdungen 
und Angriffen sicherstellen sollen. Der Unterlegene 
will so wenig opfern als möglich, der Überlegene 
so viel verlangen, als erreichbar ist. 
Mit diesen Absichten treten die Kriegsparteien 
in die Friedensverhandlungen ein. Von den Fällen, 
daß die Streitteile, beiderseits erschöpft und kriegs- 
müde, von den Feindseligkeiten ohne weiteres ab- 
stehen, oder daß die Niederlage des einen Krieg- 
führenden eine derart entscheidende ist (debellatio, 
ultima victoria), daß er aufhört, ein selbstän- 
diger Staat zu sein, kann hier um so eher ab- 
gesehen werden, als diese Form der Beendigung 
eines Krieges ohne Friedensschluß unter den Ge- 
sichtspunkten der Eroberung bzw. Usurpation ihre 
Erledigung findet. 
Die Friedensunterhandlungen führen zur Auf- 
stellung von Friedensbedingungen, welche nun- 
mehr der militärischen wie diplomatischen Ab- 
wägung unterzogen werden, sei es zwischen den 
Kriegsparteien unmittelbar oder durch Vermitt- 
lung einer oder mehrerer der neutralen Mächte, 
welche in dem geeigneten Zeitpunkte ihre „guten 
Dienste“ anbieten. 
2. In der Regel folgt den ersten Kundgebungen 
der Friedensgeneigtheit der Abschluß eines kurzen 
Waffenstillstandes behufs Feststellung der Frie- 
denspräliminarien. Unterstützt die Kriegslage die 
dem Frieden zuneigende Kriegspolitik, so wird der 
Abschluß eines allgemeinen Waffenstillstandes 
folgen. Er ist charakterisiert durch die definitive 
Einstellung der Feindseligkeiten einerseits und die 
provisorische Anbahnung der Friedensordnung 
anderseits (s. d. Art. Waffenstillstand). Zu den 
Verhandlungen über den definitiven Frieden tritt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.