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zeichnet wurden mit den Rechten der Gesetzgebung,
Gerichtsbarkeit, hoher Polizei, Militäraushebung
und Besteuerung. Die nicht in den Rheinbund
aufgenommenen Fürsten, Grafen und Herren wur-
den mediatisiert und zu privilegierten Untertanen.
Die Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815
schufen den Deutschen Bund mit 39 Mitgliedern,
deren Zahl aber durch Abgang verschiedener Häuser
auf 33 herabsank. Vgl. d. Art. Deutsches Reich,
Bd 1, Sp. 1215 ff und über die Mediatisierten
vgl. d. Art. Adel Bd I, Sp. 83 f.
Geschriebene Hausgesetze gab es vor dem
14. Jahrh. nicht; erst seit dieser Zeit finden wir
Ansätze seitens des Herrenstandes zur selbständigen
Reglung des Familien= und Erbrechts, bisweilen
sogar im Gegensatz zur allgemeinen Rechtsentwick-
lung des Volkes. Und diese Urkunden zeigen oft
eine fast wörtliche Ubereinstimmung. Seit dem
15. Jahrh. ist die Familie des hohen Adels zur
Genossenschaft mit korporativem Charakter ge-
worden und der Boden zur Autonomie der hoch-
adligen Familie gelegt worden. (Vgl. hierüber d.
Art. Adel Bd I, Sp. 83 f.) — Im 18. Jahrh.
macht sich in den Hausgesetzen bereits neben dem
Familieninteresse schon mehr der staatliche Gesichts-
punkt geltend. — Bis 1806 bildeten alle reichs-
ständischen Geschlechter eine Standesgenossenschaft
mit voller Ebenbürtigkeit untereinander. Durch die
Mediatisierung zahlreicher reichsständischer Fürsten
und Grafen wurden diese zu privilegierten Unter-
tanen, ihre Hausverfassung blieb fortbestehen. Die
souveränen Häuser begannen ihre Hausgesetze zu
kodifizieren; so Württemberg durch das Haus-
gesetz vom 1. Jan. 1808 und Bayern durch das
Familiengesetz vom 28. Juli 1808. Die Mediati-
sierten üben auch nach 1815 das Recht der Auto-
nomie aus und entwickeln ihr Familienrecht auf
diesem Wege weiter. Umfassende Hausgesetze wur-
den im Laufe des 19. Jahrh. von einigen mediati-
sierten Familien gemacht; so ist zu nennen das
fürstlich Leiningische Hausgesetzvom 19. Juni 1867,
ein fürstlich Fürstenbergisches Hausgesetz u. a.
Wenrn in den Zeiten des alten deutschen Reiches
öffentliches und privates Recht unklar gemischt sind,
so tritt seit der Gründung der Verfassungen diese
notwendige Scheidung ein, indem gewisse Grund-
sätze, die bisher nur in den fürstlichen Hausgesetzen
enthalten waren, nunmehr integrierende Teile der
Landesverfassung, also zu Staatsrecht werden. So
vor allem die Thronfolge und die Regentschaft.
Für eine Reihe wichtigerer Materien des Thron-
folgerechts bildet das fürstliche Hausrecht auch in
der Gegenwart in vielen deutschen Staaten die
unmittelbare Quelle, z. B. für die Frage der Eben-
bürtigkeit. Dann erhebt sich die Frage, ob diese
Hausgesetze nur Hausgesetzeskraft oder Staats-
gesetzeskraft haben, ob also zur Aufhebung oder Ab-
änderung eines Hausgesetzes Anordnung des Mon-
archen mit Zustimmung der Agnaten genügt oder
ob ein Staatsgesetz erforderlich ist. Die Beant-
wortung dieser Frage ist für jeden Staat indivi-
Fürst usw.
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duell. Andere Gegenstände, die wesentlich privat-
rechtlichen Inhalts sind, sind der hausgesetzlichen
Regulierung vorbehalten (vgl. d. Art. Adel, Bd 1,
Sp. 84). So sind noch im 19. Jahrh. entstanden
das badische Hausgesetz vom 4. Okt. 1817 (wo-
zu ergänzend hinzutritt das Apanagengesetz vom
21. Juli 1839), das königlich bayrische Familien-
statut vom 5. Aug. 1819, in welches das Familien-
statut vom 18. Jan. 1816 aufgenommen wurde,
das württembergische Hausgesetz vom 8. Juni 1828,
das Hausgesetz für das Königreich Hannover vom
19. Nov. 1836, das königlich sächsische Hausgesetz
vom 30. Sept. 1837, das Hausgesetz für Sachsen-
Coburg-Gotha vom 1. März 1855; das Wald-
ecksche Hausgesetz datiert vom 1. Mai 1857. Das
königlich preußische Haus hat bis heute kein wei-
teres Familienstatut über die Dispositio Achillea
von 1473 und den geraischen Vertrag vom 11. Juni
1603 hinaus geschaffen; die entscheidende Norm
für sein Hausrecht der Gegenwart bildet einstweilen
die Hausobservanz, soweit die privatrechtlichen
Seiten der Hausverfassung in Betracht kommen;
die rein staatsrechtlichen Grundsätze der Thron-
solge und Regentschaft sind in der Verfassungs-
urkunde enthalten. (Vgl. v. Schulze-Gävernitz,
Das deutsche Fürstenrecht in seiner geschichtlichen
Entwicklung und gegenwärtigen Bedeutung, in
Holtzendorffs Enzyklopädie I [I1890] 1349 ff.)
III. Das deutsche Fürstenrecht der Gegen-
wart. 1. Juristische Natur, Mitglieder
und Organisation der Familie. Seit
dem 14. und 15. Jahrh. wird die hochadlige Fa-
milie als Genossenschaft mit korpora-
tivem Charakter, als Gesamtpersönlichkeit
betrachtet. Die Juristen des 16. und 17. Jahrh.
bezeichnen sie als universitas (familia est tam-
quam eivitas, sagt Zasius). Sie, die Familie,
galt als Eigentümerin des Hausvermögens; das
fürstliche Haus in seiner Gesamtheit ist also
Rechtssubjekt. In allen Hausgesetzen wird zu-
nächst der Bestand des fürstlichen Hauses
festgestellt, indem die Mitglieder aufgezählt wer-
den: der regierende Herr und seine Gemahlin,
alle Prinzen und Prinzessinnen, welche von dem
gemeinsamen Stammvater durch anerkannte recht-
mäßige Ehen abstammen — die Prinzessinnen
nur so lange, als sie unvermählt bleiben; mit ihrer
standesgemäßen Vermählung treten sie in die Fa-
milie ihres Gemahls —, ferner die Gemahlinnen
der Prinzen und ihre Witwen während ihres
Witwenstandes. Die weiblichen Glieder sind aber
nur passive Genossen des Hauses, die volljährigen
männlichen dagegen sind vollberechtigt; ohne ihre
Zustimmung kann die Hausverfassung nicht ge-
ändert werden. Alle Glieder des Hauses sind der
Familiengewalt des regierenden
Herrn unterworfen, der auch eine gewisse Diszi-
plinargewalt gegen alle Mitglieder des Hau-
ses besitzt für Verletzung der Hausgesetze oder
Ungehorsam gegen seine Anordnungen oder ein
mit der Ehre des Hauses nicht vereinbares Ver-