Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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lichen Leben an und für sich nützlich und unter 
Umständen sogar notwendig ist, sofort, ohne legis- 
lativen Alt, als Rechtsinstitut in Wirksamkeit 
treten sollte? Auf gesetzlichem Wege, sei es nun 
hausgesetzlich oder durch Staatsgesetz, darf aber 
alles veranlaßt werden, was zum Besten des Für- 
sten und seines Hauses zu geschehen hat. So ent- 
hält denn das Privatfürstenrecht Anordnungen dar- 
über, inwieweit der Souverän die Mitglieder 
seines Hauses zu beaufsichtigen hat, und demnach 
Bestimmungen über die Erziehung, den Aufent- 
halt, die Reisen usw., über den Gerichtsstand 
derselben in Zivil= und Kriminalsachen, über ihre 
Vormundschaften und ihren Titel und Rang, wo- 
bei hervorzuheben ist, daß jedes Mitglied auf 
gehörigen Titel und Rang, den Familiennamen 
und das Wappen Anspruch hat. Auch mehrere 
neuere Verfassungsgesetze verleihen dem regierenden 
Herrn das Recht, zu den Ehen der sämtlichen Mit- 
glieder seines Hauses seine Zustimmung zu er- 
teilen. Mit welchem Ernste aber nach wie vor 
auf die Ausübung dieses Rechts gesehen wird, hat 
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. ein be- 
kannter Fall im Hause Osterreich und im Jahre 
1891 die ohne Einwilligung des Zaren erfolgte 
Vermählung eines Großfürsten mit einer aus der 
morganatischen Ehe eines deutschen Prinzen stam- 
menden Dame gräflichen Ranges erwiesen. Ist 
man doch in diesem letzteren Falle so weit gegangen, 
den Großfürsten nicht nur seiner militärischen 
Stellungen verlustig zu erklären, sondern sogar 
unter Kuratel zu stellen. 
Über das Erfordernis des Konsenses des Herr- 
schers bei Eheschließungen von Mitgliedern 
seines Hauses ist aber noch folgendes zu bemerken. 
Do dieses Erfordernis zu Reichszeiten gemein- 
rechtlich nicht bestand, so kann dasselbe nur aus 
einem Haus= oder Verfassungsgesetze hergeleitet 
werden. Und so besteht denn die Notwendigkeit 
dieser Einwilligung des Familienchefs gegenwärtig 
in Osterreich, Preußen, Bayern, Württemberg, 
Sachsen, Hessen, Baden usw. Meist wird eine 
förmliche, urkundliche Einwilligung zu den Ehen 
der Prinzen und Prinzessinnen erfordert. Die 
zivilrechtlichen Vorschriften über die Einwilligung 
der Eltern sind damit natürlich nicht beseitigt. In 
allen neueren Hausgesetzen wurden aber die nach- 
teiligen Folgen einer ohne Konsens des Familien= 
hauptes geschlossenen Ehe eines Prinzen oder einer 
Prinzessin dahin bestimmt, daß die Deszendenz 
aus einer solchen nicht nur von der Thronfolge 
ausgeschlossen ist, sondern ebensowenig als der an- 
geheiratete Ehegatte den Rang, den Titel und das 
Wappen des Hauses erhält. Meist treten auch 
noch andere Rechtsnachteile ein; doch sind dieselben 
nach den Ländern verschieden. Hermann Schulze 
sagt mit Recht in seinem Preuß. Staatsrecht 1 
(1872) 184 f: „Wenn eine derartige hausgesetz- 
liche Bestimmung dem Standpunkt der modernen 
Staatsordnung vollkommen entspricht, so hat sie 
doch keineswegs die Bedeutung einer gemeinrecht- 
Fürst usw. 
  
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lichen Regel; es kann daher aus diesem Grunde 
eine Ehe nur da angefochten werden, wo die Ver- 
sassungsurkunde, Hausgesetze oder eine ganz be- 
stimmt nachweisbare Familienobservanz einen sol- 
chen Konsens des Familienoberhauptes erheischen. 
Letzteres ist im preußischen Königshause für alle 
männlichen und weiblichen Mitglieder desselben 
unzweifelhaft der Fall.“ Für Bayern liegt der 
Fall so, daß eine solche Ehe eines Mitgliedes des 
königlichen Hauses, die ohne Einwilligung des 
Königs geschlossen wurde, zwar deshalb nicht 
nichtig ist, aber doch die Gattin und Kinder, selbst 
wenn die Ehe eine ebenbürtige ist, die Mitglied- 
schaft im königlichen Hause nicht erwerben (ogl. 
M. v. Seydel a. a. O. 211). Dieselbe Bestim- 
mung trifft das württembergische Hausgesetz vom 
8. Juni 1828, wonach die Prinzen und Prin- 
zessinnen des Hauses sich nur mit vorangegangener 
Einwilligung des Königs vermählen dürfen, 
„welche übrigens bei ebenbürtigen Ehen ohne 
etwa eintretende besondere Gründe nicht erschwert 
werden wird“. Der Mangel der Einwilligung 
hat auch hier nicht die Nichtigkeit der Ehe zur 
Folge, sondern die Nachteile einer solchen Ehe 
werden im Art. 19 ausdrücklich dahin bestimmt, 
daß diese Ehe „in Beziehung auf Stand, Titel 
und Wappen keine Rechte auf den angeheirateten 
Gatten und die aus einer solchen Ehe erzeugten 
Kinder überträgt und aus derselben ebensowenig 
Ansprüche auf Staatserbfolge, Apanagen, Susten- 
tations= und Nadelgelder, Mitgaben und Wittume 
abgeleitet“ werden können. (Vgl. v. Sarweya. a. O. 
1 100 f.) Ahnliche Bestimmungen enthält das ba- 
dische Hausgesetz vom 4. Okt. 1817 bzw. das Apa- 
nagengesetz vom 21. Juli 1839 und die landes- 
herrliche Verordnung vom 27. Juli 1885, die 
Standesbeurkundung für die Mitglieder des groß- 
herzoglichen Hauses und deren Eheschließung be- 
treffend. Dieselben rechtlichen Nachteile einer vom 
Familienchef nicht genehmigten Ehe konstatiert 
das sachsen -coburg= gothaische Hausgesetz vom 
1. März 1855 im Art. 96 (ogl. Herm. Schulze, 
Das preußische Staatsrecht 1 184 A. 1). Sehr 
weit geht das königlich sächsische Hausgesetz vom 
Jahre 1837, § 9. Es verfügt, daß die ohne 
förmliche Einwilligung des Königs geschlossene 
Ehe eines Prinzen ungültig, die einer Prinzessin 
aber zwar nicht ungültig ist, dieselbe aber des 
Anspruchs auf eine Aussteuer beraubt. In einigen 
Hausgesetzen sind auch die Eheverträge der Prinzen 
und Prinzessinnen, die nicht die Bestätigung des 
Regenten erhielten, für ungültig erklärt worden; 
z. B. bestimmt Titel II, 8 4 des oben genannten 
bayrischen Familienstatuts, daß Eheverträge der 
Mitglieder des königlichen Hauses nichtig sind, 
wenn sie nicht die Bestätigung des Königs erlangt 
haben. Auch das Hausgesetz des württembergischen 
Königshauses verlangt im Art. 20 zur Gültigkeit 
der Eheverträge der Prinzen und Prinzessinnen 
die Einwilligung des Königs. Indes bezeichnet 
v. Sarwey (a. a. O. 102) die Nichtigkeit solcher
	        
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