Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

375 
Eheverträge, die ohne Einwilligung des Königs 
geschlossen sind, nur als relativ, insofern die Vor- 
schrift des Art. 20 nur auf Ehen Anwendung 
finden könne, die im Sinne des Hausgesetzes voll- 
gültige Ehen seien. „Bei solchen Ehen, welche 
dies nicht sind, kann die Nichtigkeit nur eine 
relative sein, also insoweit, als in diesen Ehe- 
verträgen lediglich über das zur freien Verfügung 
der Kontrahenten stehende Allodialvermögen Ver- 
einbarungen getroffen werden, kann ihre Gültig- 
keit nur nach dem gemeinen Recht beurteilt wer- 
den.“ Wenn die rechtlich notwendige Einwilligung 
des Vaters zur Eheschließung eines Prinzen oder 
einer Prinzessin mangelt, so wird dieselbe als 
durch den erwirkten Konsens des Souveräns er- 
setzt betrachtet. Unter allen Umständen ist aber 
festzuhalten, daß die mangelnde väterliche oder 
fürstliche Einwilligung zwar vom katholischen 
Kirchenrecht mißbilligt wird, aber nie gemeinrecht- 
liches Ehehindernis war. Bezüglich der protestan- 
tischen Häuser ist die Frage streitig (s. J. H. 
Böhmer, Lus eccl. protest. IV, 2, § 22; 3, 851; 
Richter, Kirchenrecht" § 254; vgl. die bei Stutz, 
Kirchenrecht, in Holtzendorffs Enzyklopädie II 
[*1904] 972, zitierte Literatur). 
Betreffs der protestantischen Regentenhäuser 
galt es ferner als Recht, daß der Souverän sich 
selbst und die Mitglieder seines Hauses von den 
Ehehindernissen dispensieren kann, soweit dieselben 
überhaupt dispensabel sind. Indessen ist es in 
dieser Hinsicht bezüglich der dem staatlichen Gesetz 
ihren Ursprung verdankenden Ehehindernisse seit 
der Einführung der Zivilehe anders geworden 
und sind diesbezüglich die verschiedenen Staats- 
gesetzgebungen maßgebend, die, nicht vom Stand- 
punkt der katholischen Kirche ausgehend, überall 
die überhaupt dispensierbaren Ehehindernisse ent- 
weder ganz oder fast ganz beseitigt haben. Die 
katholischen kirchlichen Erfordernisse, von deren 
Erfüllung die Gültigkeit der Ehe abhängt, sind 
aber betreffs der Mitglieder der regierenden Häu- 
ser dieselben wie für alle übrigen Katholiken, 
während diese Erfordernisse für die Protestanten 
im allgemeinen durch die Landeskirchenordnungen 
geregelt sind. Das pöäpstliche Ehedekret Ne 
temere vom 2. Aug. 1907 (in Kraft seit Ostern 
1908) machte die modifizierte tridentinische Form- 
vorschrift für die ganze Welt verbindlich (vol. 
hierzu d. Art. Ehe und Eherecht). Bezüglich der 
protestantischen Häuser herrschte aber zu den Zei- 
ten des alten Reichs die von der überwiegen- 
den Mehrheit vertretene Doktrin, daß alle Mit- 
glieder derselben befugt wären, Gewissensehen 
mit voller Rechtswirkung zu schließen, weil die 
Kirchenordnungen nur landesherrlichen Ursptunos 
seien und somit die dem Kaiser unterstehenden 
Personae illustres nichts angingen. Da dieser 
Grund aber gegenwärtig fortgefallen ist, so unter- 
stehen jetzt auch diese Personen jenen Ordnungen, 
und dies um so mehr, je mehr die Selbständigkeit 
der Kirchengewalt den Protestanten wieder zum 
Fürst usw. 
376 
Bewußtsein gekommen ist. Wohl aber hat der 
Landesherr als Inhaber der bischöflichen Gewalt 
das Recht der Dispensation von der vorgeschrie- 
benen Form der Eheschließung auch bezüglich der 
Mitglieder seines Hauses. Von der Mißheirat 
und der morganatischen Ehe haben wir bereits in 
dem Art. Ebenbürtigkeit gehandelt. 
Die Abschließung der Ehe erfolgt auch in den 
regierenden deutschen Fürstenhäusern durch den 
Zivilakt nach dem Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875; 
doch ist dem Landesherrn anheimgegeben, das 
Standesamt für das regierende Haus zu be- 
stimmen. Gewöhnlich werden dessen Funktionen 
dem Hausministerium übertragen. 
Was die Ehescheidung anlangt, so unterstehen 
nicht nur die katholischen, sondern auch die prote- 
stantischen Mitglieder der souveränen Häuser der 
allgemeinen Gesetzgebung ihrer Kirchen, und auch 
bezüglich der griechisch-orientalischen Kirchen muß 
ein solches Unterstehen, wie betreffs der kirchlichen 
Ehegesetzgebung überhaupt, so betreffs der Schei- 
dung angenommen werden, wie befremdlich es auch 
im Jahre 1889 bei der Trennung der Ehe des 
Königs Milan von Serbien hergegangen ist. 
Die ehelichen Güterverhältnisse werden in den 
Fürstenhäusern durch die bei der Schließung der 
Ehe vereinbarten Eheverträge geregelt. Die- 
selben gehen in der Regel von dem schon im Mittel- 
alter und seit dem 13. Jahrh. häufiger beim Adel 
auftretenden Prinzip aus, daß die Frau von ihrem 
Gatten ihren Unterhalt und eine Witwenversorgung 
erhält. Es kommen dabei die Institute des Adels- 
rechts, wie die Morgengabe, die Nadelgelder und 
das Wittum, zur Anwendung. In mehreren Haus- 
gesetzen finden sich diesbezügliche Bestimmungen, 
wie z. B. der Königin-Witwe in Württemberg 
durch das Hausgesetz vom Jahre 1828 außer einer 
möblierten Residenz und einem möblierten Lust- 
schloß jährlich 100 000 Gulden und in Sachsen 
(Hausgesetz von 1837) jährlich 40 000 Reichs- 
taler nebst Wohnung in einem königlichen Schlosse 
zugewiesen sind. Bezüglich der Morgengabe, wie 
dieselbe in souveränen Häusern üblich ist, möge 
noch erwähnt sein, daß dieselbe sich als ein bei 
der Eheschließung vom Gemahl gemachtes Ge- 
schenk charakterisiert, über das die Gemahlin 
frrei verfügen kann, das aber, falls sie dies nicht 
tut und ohne Kinder stirbt, an den Gatten zu- 
rückfällt. 
Weas im übrigen die Stellung der Gemahlinnen 
des Souveräns und der Prinzen seines Hauses 
sowie des Gemahls einer regierenden Souveränin 
anlangt, so treten dieselben mit der Eheschließung 
in das Verhältnis von Untertanen und unter die 
Familiengewalt des regierenden Herrn. 
4. Die rechtliche Stellung derillegi- 
timen Kinder. Im Familienrecht des hohen 
Adels sind die unehelichen Kinder von jedem Suk- 
zessionsrecht ausgeschlossen. Die Legitimation per 
subsequens matrimonium hat im deutschen 
Fürstenrecht nie Eingang gefunden. „Würde und 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.