Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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eidliche Verstärkung internationaler Verträge noch 
üblich: die Friedensverträge von Madrid zwischen 
Franz I. von Frankreich und Kaiser Karl V. 
(14. Jan. 1526), von Cambrai zwischen denselben 
(5. Aug. 1529), von Münster zwischen Spanien 
und der Republik der Niederlande (20. Jan. 1648), 
von Aachen zwischen Frankreich und Spanien 
(2. Mai 1668) und von Ryswyk zwischen Frank- 
reich und Spanien (20. Sept. 1697) wurden noch 
durch den Eid bekräftigt. Der letzte beschworene 
Vertrag ist das zu Solothurn am 28. Mai 1777 
zwischen Frankreich und der Schweiz abgeschlos- 
sene Bündnis. 3) Die Verpflichtung zum Ein- 
lager oder Einreiten oder das ius obstagü, wel- 
ches Ducange in seinem Glossarium ad scrip- 
tores mediae et infimae latinitatis folgender- 
maßen definiert: Est promissio sponsorum vel 
debitoris ipsius, si certo die debitum solutum 
non sit, cum numero definito equorum et 
servitorum intrandi diversorium publicum 
neque inde recedendi usque donec creditori 
plane sit satisfactum. 4) Das Erbieten, sich 
im Falle der Nichterfüllung des Vertrages ehrlos 
schelten oder durch Schandgemälde verhöhnen zu 
lassen. 5) Die Verpflichtung zur Zahlung einer 
Konventionalstrafe für den Fall der Nichterfüllung 
des Vertrages (im Unterschied von der Verab- 
redung einer alternativen Geldzahlung), welche 
ganz unwirksam wäre, sobald das Interesse des 
verpflichteten Staates die Oberhand gewänne, 
ganz abgesehen davon, daß ein Staat, der sich 
seiner Vertragspflicht zu entziehen vermag, sich 
auch der Zahlung der vereinbarten Konventional= 
strafe entziehen kann. 6) Die im Mittelalter 
häufig übliche Stellung von Gewährsmännern 
oder Garanten (warrandi, garants oder conser- 
vatores pacis), d. h. von mächtigen Vasallen, 
welche den Vertrag ihres Lehnsherrn mitgelobten 
und sich verpflichteten, diesem, falls er den Ver- 
trag verletze, nicht nur nicht beizustehen, sondern 
den andern Kontrahenten gegen ihn zu unter- 
stützen. Beispiele liefern noch die Friedensverträge 
von Arras zwischen Maximilian I. von Osterreich 
und Ludwig XI. von Frankreich (23. Dez. 1482), 
von Senlis zwischen Maximilian I. von Oster- 
reich und Karl VIII. von Frankreich (23. Mai 
1493) und von Orléans zwischen Ludwig XII. 
von Frankreich und Heinrich VIII. von England 
(7. Aug. 1514). Dieses Mittel der Vertrags- 
verstärkung mußte mit dem Übergange des Lehns- 
wesens in die Untertanschaft und der Konsoli- 
dierung der Monarchie naturgemäß außer Ge- 
brauch kommen, und man mußte anstatt der Va- 
sallen dritte Staaten oder deren Beherrscher als 
Garanten wählen, welche den Kontrahenten ihre 
Hilfe für den Fall versprachen, daß einer derselben 
den Vertrag nicht erfüllen oder das garantierte 
Rechtsverhältnis von anderer Seite bedroht wer- 
den sollte. Auf diese Weise entstand die heute 
übliche völkerrechtliche Garantie in Form der 
Garantieverträge, von denen der Friedens= und 
Garantien, völkerrechtliche. 
  
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Bündnisvertrag von Blois zwischen Frankreich 
und Aragonien (12. Okt. 1505) das erste Bei- 
spiel liefert. 
Auch heute noch finden als Mittel zur Ver- 
stärkung und Sicherung internationaler Verträge 
in beschränktem Maße Anwendung: 1) die Stel- 
lung von Geiseln, d. h. die Ubergabe von an- 
gesehenen und einflußreichen Staatsangehörigen 
in beschränkter Zahl seitens des durch einen Ver- 
trag verpflichteten Staates in den Gewahrsam des 
aus demselben Vertrage berechtigten Staates bis 
zur Erfüllung der betreffenden Vertragsverbindlich- 
keit. Die Geiseln haften nicht persönlich für die 
Erfüllung der vertragsmäßig übernommenen Ver- 
bindlichkeit ihres Staates, sondern dieser ist und 
bleibt dazu verpflichtet; der berechtigte Staat hat 
lediglich das Recht, sie nach seinem Gutdünken an 
einem ihm tauglich scheinenden Orte bis zur voll- 
ständigen Vertragserfüllung in engem Gewahrsam 
zu halten; derselbe ist zur Mißhandlung oder 
Tötung der Geiseln selbst dann nicht befugt, wenn 
die Erfüllung des betreffenden Vertrages in offen- 
bar böswilliger Weise verweigert wird, da nur 
die persönliche Freiheit, nicht aber das Leben der 
Geiseln verpfändet ist. Für den Unterhalt der 
Geiseln muß der verpflichtete Staat sorgen, gleich- 
viel, ob sie sich freiwillig geopfert haben oder von 
ihrem Staate dazu bestimmt worden sind. Ent- 
flieht ein Geisel, so muß der verpflichtete Staat 
entweder den Entflohenen zurückbringen oder 
einen Ersatzmann für denselben stellen. Stirbt 
ein Geisel, so muß ein Substitut nur dann ge- 
stellt werden, wenn dies besonders vereinbart 
worden ist. Ist der Vertrag, zu dessen Verstär- 
kung die Geiseln bestellt worden sind, erfüllt, so 
müssen diese in Freiheit gesetzt werden, weil der 
Grund ihrer Stellung zu bestehen aufgehört hat. 
Die Stellung von Geiseln war im Altertume und 
im Mittelalter allgemein üblich; in der Neuzeit 
ist dieses Mittel wegen seiner Unsicherheit einerseits 
und wegen der Härte desselben für Unschuldige 
anderseits im friedlichen Völkerverkehre fast ganz 
außer Gebrauch gekommen. Der letzte Fall, in 
welchem dieses Mittel angewendet wurde, ereignete 
sich 1748, als behufs Erfüllung des zwischen 
England und Frankreich abgeschlossenen Aachener 
Friedens die zwei englischen Pairs Sussex und 
Cathcart als Geiseln nach Paris gestellt wurden. 
Gegenwärtig werden Geiseln fast nur noch im 
Kriege zur Sicherstellung bestimmter Forderungen 
oder zur Bewahrung gegen Hinterlist genommen. 
So wurden Geiseln noch während des deutsch- 
französischen Krieges vielfach verwendet, um die 
Beachtung der Rechtsregeln des Völkerrechts zu 
erzwingen; so wurden französische Staatsbürger 
auf Eisenbahntransporten mitgenommen, wenn 
verbrecherische Angriffe auf den Transport von 
seiten der feindlichen Bevölkerung besorgt wurden. 
2) Unter den in der Rechtsübung unserer Tage 
verwendeten Mitteln zur Sicherung völkerrecht- 
licher Verpflichtungen sind hervorzuheben: a) die
	        
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