407 Garantien, völkerrechtliche. 408
vollständige oder teilweise Verpfändung der haupt zur Abschließung internationaler Verträge
Staatseinnahmen an den Gläubiger des berechtigt ist. Es liegt jedoch in der Natur der
Staates, durch welche diesem Verzinsung und Sache, daß nur solche Staaten eine Garantie
Tilgung einer Schuld garantiert werden sollen. übernehmen, welche die nötigen Mittel besitzen,
b) Bestellung von Unterpfändern, die um die versprochene Hilfe erforderlichenfalls auch
regelmäßig geschieht unter Besetzung von fremdem leisten zu können. Ein neutraler Staat darf kein
Staatsgebiet mit Ubernahme der Verwaltung bis Rechtsverhältnis garantieren, dessen Aufrecht-
zur Abtragung der Vertragsschuld; diese gehört erhaltung unter Umständen einen Krieg verur-
aber nur so weit hierher, als sie vertragsmäßig sachen könnte. Belgien war Mitkontrahent des
eingeräumt ist, nicht aber als Art der Repressalien. Vertrages über die Neutralisierung Luxemburgs
JP) Als eine Quasi-Verpfändung kann die mili= vom 18. Mai 1867, beteiligte sich aber als neu-
tärische Besetzung eines ausländischen Ge= traler Staat nicht an der Garantie der übrigen
bietsteiles angesehen werden, welche vereinbarungs= Kontrahenten.
gemäß für die Deckung der Kriegskosten oder dgd IV. Gegenstand. Garantieverträge können
haften soll. Eine solche garantie territoriale zur Sicherung jedes Rechtsverhältnisses abge-
fand z. B. statt auf Grund des zweiten Pariser schlossen werden; sie können sowohl die äußeren
Friedens vom 20. Nov. 1815, ferner nach Art.VIII als auch die inneren Rechteverhältnisse eines Staa-
der Versailler Friedenspräliminarien vom 26. Febr. tes betreffen, ja sogar den Rechtsschutz der Unter-
1871 bzw. nach Art. 7 und 8 des Frankfurter tanen eines Staates zum Gegenstande haben.
Friedensvertrages vom 10. Mai 1871. Bei dieser Nach der Verschiedenheit des Gegenstandes, auf
militärischen Besetzung von fremdem Staatsgebiet welchen sich die Garantie bezieht, kann man fol-
bleibt aber die Verwaltung in den Händen der gende Arten derselben unterscheiden: 1) die Ga-
zuständigen Staatsgewalt. rantie eines gewissen territorialen Besitzstan-
III. Aebenverträge und selbständige Ga- des eines Staates. Osterreich, Frankreich, Groß-
rantieverkräge. Weitaus die wichtigste äußere britannien, Preußen, Rußland und Sardinien
Garantie der internationalen Verträge liegt in der garantierten durch den Art. 7 des Pariser Frie-
Mitwirkung dritter Staaten, gewöhn= dens vom 30. März 1856 die Unabhängigkeit
lich speziell als „Garantie“ oder „Garantie= und territoriale Integrität des Ottomanischen
vertrag“ oder auch „Garantieversprechen“ Reiches. 2) Die Garantie der Neutralität
bezeichnet. „Garantieverträgesind diejenigen völker= eines Staates. Die europäischen Großmächte
rechtlichen Verträge, durch welche ein Staat einem garantierten die Neutralität der Schweiz durch
andern oder mehreren andern gegenüber sich ver= den Art. 92 der Wiener Kongreßakte und die
pflichtet, entweder für die Erfüllung der völker-Akte vom 20. Jan. 1815, die Neutralität Bel-
rechtlichen Verpflichtungen eines andern Staates giens durch den Londoner Vertrag vom 15. Nov.
oder aber dafür einzustehen, daß dieser von seiten 1831 und die Neutralität Luxemburgs durch den
eines andern Staates in seinen völkerrechtlichen Londoner Vertrag vom 18. Mai 1867. 3) Die
Rechten nicht beeinträchtigt werde“ (v. Liszt, Das Garantie der Gesamtheit von Rechten, wie
Völkerrecht (21904) 178). sich solche aus einem internationalen Vertrage er-
Martens bezeichnet diese Garantie als dasjenige geben. Derartige Garantien sind seit dem Westfäli-
Bestärkungsmittel, welches seinen Zweck am besten schen Frieden (1648) so sehr in Ubung gekommen,
erfüllt, da es „auf der positiven Erkenntnis der daß seither kaum mehr ein bedeutenderer Vertrag
Solidarität ihrer Interessen seitens der Staaten geschlossen wurde, der nicht auf diese Weise ge-
beruhe". Diese Bürgschaft eines Vertrages kann schützt worden wäre. Im Vertrage von Oliva vom
von dritten Staaten auf verschiedene Weise über= 3. Mai 1660 garantierten sich alle kontrahierenden
nommen werden; sie kann eine einseitige oder eine Parteien (partes paciscentes omnes, tam prin-
gegenseitige sein. Sie beruht selbst auf einem Ver= cipales quam foederatae) gegenseitig ihre Rechte;
trage, und zwar kann sie schon im Hauptvertrage im Aachener Frieden vom 18. Okt. 1748 (Art. 24)
selbst übernommen sein. Regelmäßig aber tritt die garantierten sich toutes les puissances con-
Garantie als akzessorischer oder Nebenvertrag oder tractantes et intéressées réciproquement bie
auch als akzessorischer Garantievertrag zum Haupt= Ausführung des Vertrages; das neueste Beispiel
vertrag hinzu. Der Garant erlangt kein selbstän= einer solchen Garantie ist der Tripelvertrag zwischen
diges Recht, sondern übernimmt lediglich die Ver- Osterreich, Frankreich und Großbritannien vom
pflichtung, denjenigen der Kontrahenten, welcher 15. April 1856, durch dessen Art. 2 die genannten
sich über Rechtsverletzung zu beklagen hat, zu Mächte jede Verletzung des Pariser Friedens vom
chützen. Das Schicksal des Garantievertrages 30. März 1856 als casus belli erklärten. 4) Die
hängt ganz von dem des Hauptvertrages ab. Das Garantie der Erfüllung einer bestimmten
erste Beispiel ist der Friedens= und Bündnisver= Leistung, z. B. der Bezahlung einer Schuld. „Die
trag zwischen Frankreich und Aragonien im Jahre in einem Staatsvertrage übernommene Garantie
1506, wobei der König von England als con- der Anleihe eines andern Staates soll dessen Gläu-
servator pacis die Garantie übernahm. — Eine bigern privatrechtliche Sicherheit gewähren“ (Heil-
Garantie übernehmen kann jeder Staat, der über= born, Völkerrecht, in Holtzendorffs Enzyklopädie