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II 1044); aber diese Garantie begründet an sich
nicht notwendig eine völkerrechtliche Verpflich-
tung. Dieser Garantievertrag erlangt aber so-
fort die Bedeutung eines internationalen Ver-
trages, wenn etwa der Staat, dessen Anleihe von
andern garantiert wird, Verpflichtungen auf sich
nimmt, durch welche seine Finanzverwaltung be-
schränkt wird; oder wenn der garantierende Staat
nicht etwa den Staatsgläubigern, sondern andern
Staaten gegenüber sich verpflichtet, seine Gesetz-
gebung oder Verwaltung, wenn nötig, in Be-
wegung zu setzen. Insbesondere aber verpflichtet
die Kollektivgarantie jeden garantierenden Staat
auch den übrigen Garantiemächten gegenüber. Vgl.
den Vertrag der Großmächte mit der Türkei vom
18. März 1885 über die Garantierung einer
ägyptischen Anleihe, durch welche die Vertrags-
mächte sich verpflichten, die regelmäßige Zahlung
des Jahresbetrages von 315.000 Pfund Sterling
„gemeinsam und solidarisch zu garantieren bzw.
die Genehmigung ihrer Parlamente zur gemein-
samen und solidarischen Garantie einzuholen“.
Für die griechischen Anleihen von 1883 und 1898
haben Rußland, Frankreich und Großbritannien
die Garantie übernommen (v. Liszt, Völkerrecht).
5) Die Garantie der Thronfolge in einem
bestimmten Staate. Kaiser Karl VI. scheute keine
Bemühungen und Opfer, für die Pragmatische
Sanktion vom 19. April 1713, welche Maria
Theresia zur Thronfolge berief, die Garantie des
deutschen Reiches und der auswärtigen Mächte zu
erlangen; durch den Frieden von Teschen vom
13. Mai 1779 wurde die bayrische Erbfolge ge-
regelt und gewährleistet. 6) Die Garantie des
Fortbestandes einer bestimmten Ver-
fassung eines Staates. Die Verfassung
Polens wurde von Osterreich, Rußland und Preu-
ßen durch die Konvention vom 18. Sept. 1775,
die Bundesverfassung Deutschlands, soweit sie
in der Bundesakte (Art. 53/64 der Wiener
Kongreßakte) niedergelegt ist, durch die Unter-
zeichner der Wiener Kongreßakte und die Ver-
wirklichung des Organischen Statuts für Ostru-
melien von 1879 von denjenigen Mächten garan-
tiert, welche an der Abfassung desselben teilge-
nommen haben. „Die Garantie der Verfassung,
insbesondere auch der Thronfolgeordnung, richtet
sich im Zweifel nur gegen auswärtige Angriffe,
will aber nicht gegen innere Empörungen Schutz
gewähren (Heilborn, Völkerrecht, a. a. O. II
044).
V. Fo##m der Garautie. Die Garantie,
die ihrem Wesen nach ein Bürgschaftsvertrag ist,
muß stets ausdrücklich gegeben und angenommen
werden; Subjekt und Objekt derselben müssen ge-
nau bestimmt werden; sie kann niemals vermutet
oder auch nur indirekt aus einer andern Ver-
pflichtung abgeleitet werden. Erfolgt die Über-
nahme der Garantie seitens einer dritten Macht,
so kann dies entweder im Hauptvertrage selbst oder
in einem akzessorischen Vertrage geschehen; garan-
Garantien, völkerrechtliche.
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tieren sich aber die Kontrahenten selbst gegenseitig
den Hauptvertrag, so wird dessen steis im Haupt-
vertrage erwähnt. Die Garantie ist entweder eine
allgemeine oder eine spezielle, je nachdem sie die
Gesamtheit der aus einem Vertrage sich ergebenden
Rechte oder nur gewisse derselben umfaßt; sie kann
für die ganze Dauer der Hauptverbindlichkeit oder
nur für eine bestimmte Zeit gegeben werden. Nach
der Verschiedenheit der Form, in welcher die Ga-
rantie auftritt, unterscheidet man die einfache
und die usammengesetzte Garantie.
Eine einfache Garantie liegk vor, wenn ein ein-
zelner Staat die Erfüllung eines zwischen andern
Staaten abgeschlossenen Vertrages gewährleistet.
So garantierte die Kaiserin Maria Theresia den
Allianzvertrag zwischen Frankreich und Dänemark
vom Jahre 1758. Unter den Begriff der zu-
sammengesetzten Garantie sallen: 1) die gegen-
seitige Garantie, durch welche sich die kon-
trahierenden Staaten gegenseitig die Unverletzlich-
keit ihres Besitz= und Rechtsstandes gewährleisten,
und 2) die Kollektivgarantie, durch welche
zwei oder mehrere Staaten die Aufrechterhaltung
eines gewissen Zustandes oder die Unantastbarkeit
der Besitzungen und Rechte eines bestimmten
Staates solidarisch gewährleisten. Durch den
Art. 1 des Vertrages vom 20. April 1854 garan-
tierten sich Osterreich und Preußen gegenseitig ihre
Besitzungen für die Dauer des orientalischen Krie-
ges; England, Frankreich und Rußland über-
nahmen durch die Art. 4 und 8 des Vertrages
vom 7. Mai 1832 die Kollektivgarantie für die
Unabhängigkeit Griechenlands.
VI. Eintritt des Garantiefalles. Ist die
Garantie eines dritten Staates zur Verstärkung
oder Sicherung eines Hauptvertrages gegeben, so
ist der Garant erst dann zum Einschreiten
berechtigt und verpflichtet, wenn der durch
den Garantievertrag vorgesehene Fall des Bedürf-
nisses nach Hilfe eingetreten ist und der Garant von
der berechtigten Vertragspartei zur Hilfeleistung
aufgefordert wird; unaufgefordert darf sich der
Garant nur dann einmischen, wenn die Berechti-
gung hierzu im Vertrage ausdrücklich stipuliert
worden ist. Heilborn (Völkerrecht, a. a. O. 1044)
ist dagegen der Meinung, daß einem Staate, der
den Garanten nicht in Anspruch nehmen will, diese
Garantieleistung nicht aufgedrungen werden könne,
da dies gleichbedeutend wäre mit einer Verletzung
seiner Unabhängigkeit, es sei denn, die Garantie
wäre mit einem Bündnis verknüpft. Wird der
Garant vom Garantierten um Hilfe angegangen,
so ist jener nicht verpflichtet, diesem die verlangte
Hilfe ohne weiteres zu leisten, sondern der Garant
hat in solchem Falle vielmehr das Recht, zu be-
urteilen, ob der Fall der Garantie eingetreten und
somit das Verlangen des Garantierten ein ge-
rechtes ist. Weichen bei dieser Beurteilung die
Ansichten des Garanten und Garantierten von-
einander ab, so kann weder der Garant dem Ga-
rantierten seine Ansicht aufdrängen, noch der