Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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weiteren Folgerungen führen dürfte. Man wird 
der Ansicht zustimmen können, daß der Begriff der 
Gebühren immerhin verlangt, daß es sich bei den 
Leistungen des Staates oder der Gemeinde um 
solche handelt, die wesentlich mit den eigentlichen 
staatlichen oder kommunalen Aufgaben zusammen- 
hängen, was bei den Erwerbseinkünften doch nicht 
durchgehends der Fall ist. 
Die Finanzwissenschaft unterscheidet Bausch- 
und Einzelgebühren, feste und veränderliche Ge- 
bühren, Fiskal= und Beamtengebühren. Bei den 
Bauschgebühren werden eine Reihe amtlicher Tätig- 
keiten zusammengefaßt. Die Einzelgebühren knüpfen 
dagegen an bestimmte Akte an. Veränderliche Ge- 
bühren sind im Gegensatz zu festen Gebühren 
solche, die auf die besondern Verhältnisse des Falles 
Rücksicht nehmen und entweder nach bestimmten 
Merkmalen, z. B. Wertsumme, Zeitdauer (Gra- 
duationsgebühren) erhoben werden, oder einen be- 
stimmten Spielraum zwischen dem höchsten und 
niedersten Satz (Rahmengebühren) zulassen. Die 
Fiskalgebühren fließen direkt in die Staatskasse, 
die Beamtengebühren werden von den mit öffent- 
lichen Funktionen betrauten Beamten für eigene 
Rechnung erhoben. Nach der Verschiedenheit der 
staatlichen Tätigkeit findet man die Einteilung in 
Verwaltungsgebühren und Gebühren der 
Rechtspflege. Man wird immer in der Lage 
sein, einer dieser beiden großen Gruppen die tat- 
sächlich vorhandenen Gebühren einzufügen. 
Auf dem Gebiet der Verwaltungsgebühren 
kommt der Unterschied in den Ansichten über den 
Begriff, auf welchen vorstehend hingewiesen wurde, 
zur Geltung. Bei Schall finden wir folgende 
Unterabteilungen: Gebühren in Angelegenheiten 
des persönlichen Lebens (z. B. Eintragung in das 
Zivilstandsregister, Staatsangehörigkeit); in An- 
gelegenheiten des Erwerbslebens (z. B. Konzes- 
sionsgebühren, Erlaubnisgebühren, Beglaubi- 
gungsgebühren); Gebühren für die Erteilung be- 
sonderer Rechte (z. B. Patente), für Exemtionen 
G#. B. Minderjährigkeitsdispensationen). Eine 
etwas weitere Ausdehnung des Gebührenbegriffs 
führt unter den hierher gehörigen volkswirtschaft- 
lichen Angelegenheiten auch zur Einreihung der 
Gebühren für Benutzung von Brücken, Land- 
straßen usw. Der Staat unterhält hier nicht einen 
Betrieb wie bei den Eisenbahnen, sondern er schafft 
nur die Möglichkeit des Betriebes durch seine Ein- 
richtungen. Ferner werden ausgenommen die Ge- 
bühren für Benutzung der Bildungsanstalten 
(Roscher). Wagner führt unter den „Gebühren 
der volkswirtschaftlichen Verwaltung“ im einzelnen 
auch die Abgaben auf dem Gebiete des Münz- 
wesens, der Wege, der Post und der Telegraphie 
auf. Es ist klar, daß gerade auf diesem volkswirt- 
schaftlichen. Gebiete die Teilung der Aufgaben 
zwischen Staat, Gemeinde bzw. sonstigen Korpo- 
rationen öffentlichen Rechts und der privaten 
Tätigkeit von ganz entscheidendem Einfluß auf die 
Entwicklung des Gebührenwesens, auf die Bildung 
Gebühren. 
  
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neuer Arten von Gebühren oder auch auf das Zu- 
rücktreten früher vorhanden gewesener sein muß. 
Es möge noch darauf hingewiesen werden, daß ein 
Teil der Gebühren auf volkswirtschaftlichem Ge- 
biete seine Grundlage in den Regalien (s. d. Art.) 
findet, in dem ausschließlichen Rechte des Staates 
auf gewisse Betriebe (z. B. Münzregal). 
Die Rechtsgebühren werden unterschieden in 
die Gebühren der streitigen Gerichtsbarkeit, der 
Strafgerichtsbarkeit und der freiwilligen Gerichts- 
barkeit. Der Rechtsstreit ist nicht das regelmäßige 
Mittel, um die bestehenden Verhältnisse der ein- 
zelnen untereinander in angemessenen Beziehungen 
zu erhalten; er soll nur das ausnahmsweise Mittel 
gewähren, gestörte Beziehungen wieder richtig- 
zustellen. Es sind also hier Privatinteressen der 
einzelnen, welche die Tätigkeit der Organe des 
Staates erfordern und dadurch Kosten verursachen, 
zu deren Tragung der Gesamtheit gegenüber diese 
einzelnen mit Recht angehalten werden können. 
Wer ferner durch seine Handlungen das straf- 
gerichtliche Einschreiten des Staates nötig macht, 
wird zu den Kosten des strafgerichtlichen Ver- 
fahrens möglichst beizutragen haben, wobei aber 
nicht die eigentlichen Strafen, sondern nur die 
Gerichtskosten als Gebühren zu rechnen sind. Es 
wird weiterhin die Tätigkeit der Gerichte an- 
gerufen, um die Sicherung der Privatinteressen 
der einzelnen zu gewährleisten; hierher gehören 
namentlich alle Eintragungsgebühren, sodann die 
Gebühren für Rechtsgeschäfte verschiedenster Art, 
für Vormundschaftsangelegenheiten, für Nachlaß- 
regulierungen u. a. 
Für die Bemessungsgründe kommen fol- 
gende Gesichtspunkte in Betracht. Geht man von 
dem Grundgedanken aus: der einzelne soll durch 
die Gebühr dem Staat (Gemeinde) Ersatz leisten 
für die in seinem besondern Interesse entstandenen 
Kosten, so muß eine genaue Berechnung im ein- 
zelnen Fall eintreten. Dies geschieht auch vielfach 
insofern, als die im allgemeinen festgestellten Sätze 
auf den einzelnen Fall Anwendung finden. Es ist 
ja nicht möglich, z. B. bei den Gerichtskosten nach- 
zuweisen, wieviel nun gerade der Anteil eines ein- 
zelnen Prozesses an den Gesamtkosten der Justiz- 
verwaltung betrage; man hat aber Maßstäbe 
gebildet, z. B. nach dem Wert des Gegenstandes, 
nach der aufgewendeten Mühe (Anzahl der be- 
schriebenen Bogen usw.), nach der Höhe der Strafe 
und nach der Höhe der Instanz, indem alle Ge- 
bührensätze bei der Berufungsinstanz höher fest- 
gesetzt werden als bei der unteren Instanz. Bei der 
Feststellung der Gerichtskosten ist es sehr wichtig, 
daß die Gesetzgebung das Richtige trifft: zu 
niedrige Kosten vermehren die oft entsittlichend 
wirkende Prozeßsucht, zu hohe kommen einer 
Rechtsverweigerung für Unbemittelte nahe. Auch 
auf dem Gebiete der Verwaltungsgebühren ist es 
nötig, die Höhe in billigem Verhältnis zu dem 
Zwecke, zu dem Interesse des einzelnen an der 
Amtshandlung, anderseits zu den Kosten, welche
	        
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