Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Wieder andere Steuern sind nach allen Richtungen 
hin ebensogut im Staate denkbar wie in kleineren 
Gemeinwesen. In dem Steuerwesen der Gemeinde 
finden wir daher auch ziemlich häufig, namentlich 
in größeren Gemeinden, denselben Dualismus wie 
im staatlichen Steuerwesen, nämlich indirekte und 
direkte Steuern nebeneinander. 
Was die indirekten Steuern anlangt, so 
finden wir diese in mannigfaltigster, von dem staat- 
lichen System indirekter Steuern abweichender, 
oft seltsamer Weise ausgebildet. Die ergiebigsten 
indirekten Steuern sind jedoch den Gemeinden 
entweder durch Gesetz oder durch ihre Natur ver- 
wehrt. Sie spielen daher im Haushalt der Ge- 
meinde, wenn auch keine geringe, so doch nur 
selten diejenige beherrschende Rolle, welche sie im 
Haushalte vieler Staaten spielen. Eine größere 
Rolle spielen sie, namentlich die Konsumsteuern, 
in Süddeutschland. Mit Rücksicht auf die für die 
Reichskasse durch Zölle und innere Verbrauchs- 
steuern zu erhebenden Konsumsteuern bestehen je- 
doch für die gemeindlichen Konsumsteuern gewisse 
Beschränkungen. Konsumsteuern auf die gemeinen 
Lebensmittel neben den Schutzzöllen des Reiches 
sind sozialpolitisch bedenklich. Durch § 12 des 
Zolltarifgesetzes vom 25. Dez. 1902 ist bestimmt, 
daß vom 1. April 1910 ab solche Abgaben auf 
Getreide, Hülsenfrüchte, Mehl und andere Mühlen- 
fabrikate, auf Backwerk, Vieh, Fleisch, Fleisch- 
waren und Fett nicht mehr erhoben werden dürfen. 
In den Gemeindehaushalten finden wir noch 
Luxussteuern, die aus den staatlichen Haushalten 
fast ganz verschwunden sind, so Hundesteuern, 
Gemeindelasten. 
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erst, wenn die Dauer ihres Aufenthaltes drei Mo- 
nate übersteigt. 
Ein System aller vorkommenden Gemeinde- 
steuern zu geben, ist nicht möglich. Die Verhält- 
nisse in den verschiedenen Gemeinden sind dafür 
zu verschieden. In den einzelnen Gemeindehaus- 
halten haben sich die Steuern wesentlich nach prak- 
tischen Gesichtspunkten je nach dem Bedürfnis des 
Ausgabebudgets oder den besonders anzustreben- 
den Zwecken entwickelt. Doch macht sich in weitem 
Umfange ein Streben nach einheitlich durchdachten 
Steuersystemen bemerkbar. Die staatliche Gesetz- 
gebung hat vielfach nur ungenügend eingegriffen; 
der Schwerpunkt lag in der autonomen Entschlie- 
ßung der Gemeindevertretungen. Einen erheblichen 
Fortschritt brachte für Preußen das Kommunal= 
abgabengesetz vom 14. Juli 1893; dazu Novelle 
vom 24. Juli 1906. Als leitender Grundsatz sollte 
gelten, daß die den einzelnen Gemeindemitgliedern 
oder Klassen von solchen aufzuerlegenden Ge- 
meindelasten in einem vernünftigen und billigen 
Verhältnis stehen zu den wirtschaftlichen Vor- 
teilen, welche denselben aus ihrer Zugehörigkeit 
zur Gemeinde erwachsen. Doch findet man in der 
Wirklichkeit diesen Grundsatz oft verletzt, teils 
infolge von Fehlern der staatlichen Gesetzgebung, 
teils infolge der Selbstsucht der in den Gemeinde- 
vertretungen herrschenden Klassen. Wenn oben 
gesagt wurde, daß die bestehende Steuerüberbür- 
dung wesentlich durch die Gemeindebesteuerung 
hervorgerufen sei, so kann hinzugefügt werden, 
daß gerade die Gemeindebesteuerung, wenn nicht 
im Prinzip, so doch durch die tatsächliche Durch- 
  
Nachtigallensteuern, früher auch Equipagen= führung, die weniger bemittelten Klassen oft stärker 
steuern, Steuern auf männliche Bediente usw. belastet hat als die wohlhabenderen. Ausgehend 
Zum Teil sind auch die Lustbarkeitssteuern hier= von der Tatsache, daß die Gemeindebesteuerung 
hin zu rechnen; oft haben dieselben neben dem leicht drückend werden kann, hat die staatliche 
Charakter einer Luxussteuer eine sozialpolitische Gesetzgebung mehrfach dafür gesorgt, daß gewissen 
Haupt= oder Nebentendenz. Die direkten Ge-Ständen ihr gegenüber eine bevorzugte Stellung 
meindesteuern werden meist als Zuschläge zu den gesichert bleibt, so bei Geistlichen und sonstigen 
Staatssteuern erhoben. Doch kommen auch selb= Kirchendienern, Volksschullehrern, Beamten, Offi- 
ständige gemeindliche direkte Steuern vor. Eine zieren. Auf der andern Seite ist den Gemeinden 
besondere Ausgestaltung derselben neben der staat= durch die Gesetzgebung zuweilen die Heranziehung 
lichen Stener ist nicht ausgeschlossen. In Preußen von Steuersubjekten ermöglicht, welche der Staat 
sind durch die Kommunalsteuerreform vom 14. Juli von seiner Besteuerung freiläßt, so vor allem die 
1893 die Realsteuern (Grund-, Gebäude-, Ge- # Heranziehung des staatlichen Fiskus selber wegen 
werbe= und Bergwerkssteuer) den Gemeinden derjenigen gewerblichen Anlagen desselben, welche 
ausschließlich überwiesen worden. Eine selbständige im Gemeindebezirkliegen. Die Befreiung des Sou- 
Ausbildung hat seitdem in manchen Gemeinden veräns von staatlichen Steuern gilt regelmäßig auch 
namentlich die Gebäudesteuer gefunden, um die gegenüber der gemeindlichen Besteuerung. Zur Reg- 
Härte derselben für die Gebäudebesitzer und ihre lung des Abgabewesens der Kreise und Provinzen 
sozial ungünstige Einwirkung auf die Höhe der erging in Preußen das Gesetz vom 23. April 1906. 
Wohnungsmieten zu mildern. In Deutschland Die wichtigsten in Deutschland vorkommenden 
dürfen gemeindliche Steuern nicht dazu benutzt Gemeindesteuern sind folgende: 1. Personal- 
werden, Neuanziehende von der Gemeinde fern= steuern, teils selbständige teils als sog. Zuschläge 
zuhalten. Nach § 8 des Freizügigkeitsgesetzes vom zu staatlichen direkten Steuern, Einkommen-, 
1. Nov. 1867 ist nämlich die Gemeinde nicht be-Grund-, Gebäude= und Gewerbesteuern nach ver- 
sugt, von Neuanziehenden wegen des Anzugs eine schiedenen Systemen. Die Verteilung der Zuschläge 
Abgabe zu fordern. Sie kann dieselben nur gleich auf die verschiedenen direkten Staatssteuern muß 
den übrigen Gemeindeeinwohnern zu den allge= sich jedesmal nach den besondern Verhältnissen der 
meinen Gemeindelasten heranziehen, und auch das betreffenden Gemeinde richten. Eine Abstufung der
	        
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