Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Zuschläge nach der Leistungsfähigkeit der Steuer- 
zahler ist namentlich bei der Einkommensteuer 
möglich und bei derselben auch häufig durchgeführt 
in der Weise, daß die wohlhabenderen Klassen 
böhere Zuschläge bezahlen als die ärmeren. Die 
Abstufung entspricht unter Umständen durchaus 
den Anforderungen der sozialen Gerechtigkeit. In 
Preußen sind den Gemeinden neben den ihnen 
ganz überwiesenen Realsteuern Zuschläge zu der 
staatlichen Einkommensteuer gestattet, während die 
staatliche Vermögenssteuer, sog. Ergänzungssteuer, 
von gemeindlichen Zuschlägen freibleiben muß. Als 
selbständige gemeindliche Personalsteuern sind noch 
die Bürger= und Wohnsteuern in Württemberg zu 
erwähnen. 
2. Verbrauchsabgaben, auch Konsum- 
steuern genannt. Sie treten in Süddeutschland 
mehr in den Vordergrund als in Norddeutschland. 
In Bayern überwiegen sie sogar. Eine positive 
Beschränkung des Rechts der Gemeinde zur Er- 
hebung von Verbrauchsabgaben findet sich in dem 
Vertrag zwischen dem Norddeutschen Bunde und 
Bayern, Württemberg, Baden und Hessen, die 
Fortdauer des Zoll= und Handelsvereins betreffend 
vom 8. Juli 1867, dem sog. Zollvereinsvertrag. 
Nach Art. 5. II, § 7 dieses Vertrags soll die Er- 
hebung von Abgaben den Kommunen und Korpo- 
rationen, sei es durch Zuschläge zu den Staats- 
steuern oder für sich bestehend, nur für Gegenstände 
bewilligt werden, die zum örtlichen Konsum be- 
stimmt sind. Zu diesen sollen allgemein gerechnet 
werden: Bier, Essig, Malz, Zider (Obstwein) 
und die der Mahl= und Schlachtsteuer unterliegen- 
den Erzeugnisse, ferner Brennmaterialien, Markt- 
viktualien und Furage. Von Wein soll eine ge- 
meindliche Verbrauchsabgabe nur in den eigent- 
lichen Weinländern zulässig sein; von Branntwein 
nur dort, wo sie von früher her besteht. 
In Preußen hatte früher die Schlacht= und 
Mahlsteuer eine große Bedeutung. Ursprünglich 
als Staatssteuer ausgebildet, wurde durch die 
Verordnung vom 4. April 1848 ein Drittel der 
Mahlsteuer provisorisch den Städten zu Kom- 
munalzwecken übergeben, woraus durch Gesetz 
vom 1. Mai 1851 ein Definitivum wurde. Durch 
Gesetz vom 25. Mai 1873 wurde dann die Schlacht- 
und Mahlsteuer als staatliche Steuer aufgehoben 
mit der Maßgabe, daß die Schlachtsteuer, wo sie 
früher war, als Gemeindesteuer forterhoben wer- 
den dürfe, wenn die Lage des städtischen Haus- 
halts es erfordere und die örtlichen Verhältnisse 
dazu geeignet gefunden werden. Tatsächlich haben 
heute nur noch sehr wenige Städte in Preußen 
die Schlachtsteuer. Sie hat den Nebenzweck, auf 
die Einfuhr von nur gutem Fleische hinzuwirken. 
Das Gesetz vom 14. Juli 1893 bestimmte, daß 
Steuern auf den Verbrauch von Fleisch, Getreide, 
Mehl, Backwerk, Kartoffeln und Brennstoffe aller 
Art nicht neu eingeführt oder in ihren Sätzen er- 
höht werden dürfen. Daneben kennt Preußen eine 
Wildbret= und Geflügelsteuer. 
Gemeindelasten. 
  
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Bayern kennt namentlich Biersteuern: den Lokal- 
malzaufschlag für das in der Gemeinde gebraute 
Bier und den Lokalbierausschlag für das in die 
Gemeinde eingeführte Bier (nach den beiden Ge- 
meindeordnungen: für die Landesteile diesseits 
des Rheins vom 29. April 1869, Art. 40 und 41, 
und für die Landesteile jenseits des Rheins von 
demselben Datum, Art. 32). Die Einführung ist 
jedesmal an die ministerielle Genehmigung ge- 
knüpft. Außerdem kommen in Bayern Verbrauchs- 
abgaben von Fleisch, Getreide und Mehl, Wild- 
bret, Gänsen, Obst „ Kaffee, Obstwein, Essig, 
Fleisch= und Eßwaren des Marktverkehrs, Brenn- 
und Futterstoffen vor; Württemberg hat daneben 
noch Verbrauchsabgaben von Gas, Elsaß-Loth- 
ringen solche von Brenn= und Beleuchtungsmate- 
rialien sowie von Baumaterialien. 
In alle diese Verhältnisse der Einzelstaaten 
greist der bereits erwähnte § 12 des Zolltarif- 
gesetzes vom 25. Dez. 1902 ein, welcher ab 1. April 
1910 die gemeindlichen Schlacht= und Mahlsteuern 
abschafft. 
3. Haus= und Mietsteuern, teils als 
Gebrauchsabgaben teils als Realsteuern gedacht. 
Von ihnen kann namentlich die Mietsteuer in 
Großstädten außerordentlich ungerecht wirken, wenn 
sie, wie früher in Berlin, lediglich nach dem Miet- 
wert der Wohnungen umgelegt wird. Die Ber- 
liner Mietsteuer ist erst infolge des Gesetzes vom 
24. Juli 1893 verschwunden. Dieses Gesetz be- 
stimmte für Preußen allgemein, daß Miet= und 
Wohnungssteuern nicht neu eingeführt werden 
dürfen. Da die ärmeren Klassen einen ungleich 
höheren Prozentsatz ihres Gesamteinkommens auf 
das Beschaffen einer Wohnung verwenden müssen 
als die wohlhabenderen, so führt sie oft zu einer 
erheblichen Uberbürdung der unteren Klassen, die 
jedenfalls einen Ausgleich bei den andern Steuern 
verlangt. In ähnlicher Weise wirken übrigens in 
Elsaß-Lothringen die gemeindlichen Zuschläge zu 
den staatlichen Tür= und Fenstersteuern sowie zur 
Mobiliarsteuer. Auch Osterreich -Ungarn kennt 
gemeindliche Mietsteuern, hier Mietzinssteuern 
genannt. 
4. Als Luxussteuern seien erwähnt die 
Hundesteuer, zum Teil mit dem Nebenzweck der 
Verminderung oder der Kontrolle der Hunde. Sie 
war in den sog. alten Provinzen Preußens den 
Stadt= und Landgemeinden früher bis zu einem 
Höchstbetrage von 9 M gestattet; nach dem Gesetz 
vom 1. März 1891 war sie bis zur Höhe von 
20 M zulässig. Das Gesetz vom 24. Juli 1893 
schaffte diese Höchstgrenze ganz ab. In Bayern 
fällt die Hundesteuer zur Hälfte dem Staat, zur 
Hälfte der erhebenden Gemeinde zu; in Sachsen 
wird sie zugunsten der Ortsarmenkasse erhoben. 
Auch die andern süddeutschen Staaten kennen eine 
Hundesteuer, welche jedoch nicht immer für die 
Gemeinde vereinnahmt wird. Eine Nachtigallen- 
steuer besteht als Abgabe an die Ortsarmenkasse 
in Sachsen, als fakultative Gemeindeabgabe in
	        
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